Kaiser Otto III. Ideal und Praxis im frühen Mittelalter
(1928)–Menno ter Braak– Auteursrecht onbekend
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Viertes Kapitel
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heit gegenüberstellt. So meint auch Bloch, Leo von Vercelli, dem Politiker, sei sowohl die Askese wie der ‘Cäsarismus’ Ottos III. völlig fremd gewesen, und er fügt hinzu: ‘Die gleiche Abkehr von den irdischen Dingen war dem “asketischen” und “cäsaristischen” Ideal Ottos III. eigentümlich’Ga naar voetnoot1). Wie wir schon im vorhergehenden Kapitel konstatierten, trifft diese Bemerkung auf den ‘Cäsarismus’ des Kaisers nicht zu; wir werden jetzt ihre Richtigkeit hinsichtlich der Askese kontrollieren. Die Askese als Form des emotionalen Lebens gehört, wie man Zöckler einräumen kann, ‘zu den zwar vielfach variierenden, aber doch niemals völlig verschwindenden Geschichtsfaktoren; sie zählt in gewissem Sinne zu den beständigen Grössen der Menschheitsgeschichte’Ga naar voetnoot2). Nach der Einteilung von Richard Mueller Freienfels ist sie wohl eines der repräsentativsten Symptome des ‘herabgesetzten Ichgefühls’Ga naar voetnoot3), sodass ‘alles auf das Ich Bezogene gedrückt, alles ihm Uebergeordnete bis ins Unwahrscheinliche gesteigert wird’Ga naar voetnoot4). Die ἄσϰησις erscheint als aktives Symbol der συνείδησις; durch eine bald innerliche, bald äusserliche Aktivität sucht das Individuum sein religiöses Inferioritätsbewusstsein auszutilgen und in dieser Weise gewissermassen die Kluft zwischen Gott und der sündigen Kreatur zu überbrücken. Ist die Askese also ein Merkmal des depressiven Menschentypus, so ist sie doch zugleich eine Trieberfüllung, eine schroffe und aggressive Form der Selbstbehauptung; und als solche neigt sie fortwährend zum Gegenteil ihres Ursprunges, zum gehobenen Ichgefühl, hin. Karl Jaspers formuliert das besonders klar in seiner ‘Psychologie der Weltanschau- | |
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ungen’: ‘Das Reale und das Endgültige der Selbstverstümmelung, das unbedingt und wirklich Weltablehnung ist, gibt in der stärksten Aktivität ein Sinnerleben in der Herrschaft über das empirische Dasein. Was sonst als Schicksal und Leid kam und getragen werden musste, kommt jetzt als Resultat des eigenen Willens. Was anderen notwendig und von aussen kommt, das wird jetzt freier Wille des Asketen selbst’Ga naar voetnoot1). Der Asket ist ein Individuum, das sich seiner Sündigkeit bewusst ist, sich aber gleichzeitig im asketischen Akt über die Passivität erhebt und ‘Herrscher’ wird; die Askese überhaupt ist nicht einfach eine ‘Abkehr von den irdischen Dingen’, denn trotz ihrer negativen Gesinnung den irdischen Gütern gegenüber, wird die Beherrschung der Sinnenwelt ihr zum positiven Selbstzweck. Diese Voraussetzung ist wichtig, wenn man das asketische Ideal mit dem Ideal des frommen christlichen Herrschers im Mittelalter vergleicht. Dieses Ideal verhält sich ja sowohl zum ‘Cäsarismus’ wie zur ‘Askese’ entschieden positivGa naar voetnoot2). Nachdem Augustin die Eigenschaften des frommen Herrschertypus umschrieben hat, behauptet er, sie seien nur dann ‘glücklich’, ‘si haec omnia faciunt non propter ardorem inanis gloriae sed propter charitatem felicitatis aeternae, si pro peccatis humilitatis et miserationis et orationis sacrificium Deo suo vero immolare non negligunt’Ga naar voetnoot3). Diese Definition hängt zusammen mit seiner Auffassung von dem relativen Wert der irdischen Güter, welche der Mensch nur im Dienst Gottes geniessen soll; der mittelalterliche Herrscher, dessen Gewalt aus dem Königtum Christi abgeleitet wird, hat demnach eine von Gott auferlegte Pflicht zu erfüllen, ist in der Ausübung seines Amtes einer transzenden- | |
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talen Obrigkeit verantwortlich. So ist er nicht unbedingt dem modernen weltlichen Herrscher gleichzusetzen; seine Autorität entnimmt er seiner Stellung im Staat Gottes, und diese Stellung ist im Urteil der Zeitgenossen wieder abhängig von seinen Regierungsmethoden. Pseudo-Cyprian verzeichnet als Eigenschaften des ‘rex justus’, neben seinen ‘staatlichen’ Verpfichtungen: ‘magorum et hariolorum et pythonissarum superstitionibus non intendere’, ‘per omnia in Deo confidere’, ‘certis horis orationibus insistere’, ‘ante horas congruas non gustare cibum’Ga naar voetnoot1). Das Ideal des rex justus, wie es die öffentliche Meinung bedingt, hat also zwei Seiten: die Herrschaft über die Welt und die Selbstbeherrschung; beide sind aber Disziplinen im Dienst einer transzendentalen Idee. Wir haben oben S. 58 f. schon bemerkt, dass beide Seiten mehr oder weniger betont werden können, und dass Herrscher wie Otto III. und Heinrich II. in der historischen Tradition dem Heiligenideal nahe kommen. Wie aber die Verhältnisse auch sein mögen, im Prinzip muss jedes Königsbild, das die Bezeichnung ‘rex justus’ oder ‘imperator felix’ beansprucht, nicht nur die Herrschaft über die Welt, sondern auch die Herrschaft über die eigene Persönlichkeit besitzen; die irdischen Güter werfen nur dann Früchte ab, wenn sie in Selbstzucht vewendet werden. Hieraus geht schon hervor, dass von ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ nur im abstrahierenden Urteil des späteren Historikers die Rede sein kann; es ist dann aber sehr fraglich, ob man mit diesen abstrakten Begriffen eine Realität andeuten darf, in der Cäsarismus und Askese einander in eigentümlicher Weise durchdringen. Für das Urteil der Zeitgenossen gibt es ja weder einen ‘cäsaristischen’ Otto noch einen ‘asketischen’ Otto, sondern nur einen ‘rex iniquus’ gegenüber einem ‘rex Justus’. Die Zeitgenossen kennen die | |
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Kriterien ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ nicht; sie kennen nur die Verlockungen des Teufels, die Otto in seiner Beschäftigung mit ‘weltlichen’ Angelegenheiten von dem rechten Wege abführen; und die ‘Askese’ preisen sie nur als eine Eigenschaft der Gotteskinder. Für sie ist das Königsideal überhaupt undenkbar ohne das Prinzip, das auch der extremen Askese zu Grunde liegt: die Dienstbarkeit der irdischen Güter, die nur in verschiedenem Grade Gott dienstbar gemacht, in verschiedenem Sinne beherrscht werden. Will man also die Begriffe ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ für die Politik und die Persönlichkeit Ottos III. verwenden, so hat man sie lediglich als psychologische Hilfsmittel zu verstehen und von einer historischen ‘Realität’ abzusehen; psychologisch lässt sich allerdings behaupten, obgleich damit u.E. noch wenig gesagt ist, dass Otto cäsaristische und asketische Neigungen hatte. Man darf dann nur nicht übersehen, dass die ganze Zeit, d.h. die ‘öffentliche Meinung’, die Normalanschauung, keinen anderen ‘weltlichen’ Königstypus kannte als einen teilweise ‘cäsaristischen’, teilweise ‘asketischen’; dass also im Verhältnis von Individuum und Milieu, von Beurteiltem und zeitgenössischem Urteil diese Kriterien nicht im antithetischen Sinne bestehen. Die Realität des Ecclesiabegriffes bringt es mit sich, dass der wahre Imperator universalen (‘cäsaristischen’) Tendenzen nachstrebt; die Realität des transzendentalen Gottesglaubens bringt es mit sich, dass sein Leben sich gleichfalls durch die Beobachtung der christlichen Tugenden der Frömmigkeit und der Enthaltsamkeit auszuzeichnen hat. Die Grenzen des Normalen haben sich hier im Laufe der Jahrhunderte beträchtlich verschoben. Jedenfalls ist es unrichtig, die Bezeichnungen ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ als einfache Gegensätze, denen nur ‘eine gleiche Abkehr von den irdischen Dingen’ eigentümlich war, zu gebrauchen. Historisch betrachtet, haben beide in | |
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der Lehre von dem relativen Wert der irdischen Güter und folglich im normalen Herrschertypus einen gemeinschaftlichen Punkt; psychologisch betrachtet, berühren sich die scheinbaren Antithesen im Genuss des ‘Herrschens’ überhaupt, finden also in dieser Funktion eine gemeinschaftliche Positivität. Wenn wir also Otto III. als ‘asketischen’ Typus darstellen, glauben wir als feststehend voraussetzen zu dürfen, dass die mittelalterliche Askese ihrem Ursprung nach auch dem mittelalterlichen Königsideal innewohnt, dass man von einem ‘depressiven’ Herrschertypus sprechen kann, der sich schon durch seine Beziehungen zum Jenseitsgedanken dem rein asketischen Typus in manchen Hinsichten anschliesst. Die ältere Auffassung von der Persönlichkeit Ottos III. lässt sich in die Worte Sackurs zusammenfassen: ‘Zwischen dem Einfluss Silvesters und dem eines Romuald, Adalbert und Nilus, stand der jugendliche Kaiser: das Ideal des alten römischen Staatswesens, das Ideal christlicher Weltentsagung, die entgegengesetzten Weltanschauungen zweier Kulturepochen, kämpften um seinen Besitz und rissen ihn von törichter Ueberhebung irdischer Grösse zur Selbstvernichtung und von der Negation menschlicher Triebe zur Selbstvergötterung römischer Cäsaren’Ga naar voetnoot1). Erstens ist diese Formulierung schon mit der obigen schwerlich zu vereinigen; zweitens aber ist die hier von Gerbert gegebene Vorstellung unhaltbar und es wird dadurch ein falscher Gegensatz eingeführt. Nach Sackur war er ‘der erste vom Schlage der Rienzi, die ihre Ideale nicht kirchlichen Anschauungen, sondern der antiken Literatur entnahmen’Ga naar voetnoot2). Unsere Analyse seiner Briefe bewies aber das GegenteilGa naar voetnoot3); auch die An- | |
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schauungen dieses ‘Diplomaten’ fügen sich dem begrifflichen Schema der Zeit. Ausserdem ist keine einzige Andeutung überliefert worden, dass Gerbert sich den asketischen Neigungen seines Schülers widersetzt habe; wohl aber korrespondierte er fortwährend mit den führenden Männern der kluniazensischen ReformparteiGa naar voetnoot1). Auch Gerbert ist in seinem programmatischen Versuch, die Union mit Byzanz unter okzidentaler Hegemonie herbeizuführen, gänzlich ein Kind seiner Zeit, wenn er auch selbstverständlich der extremen Askese eines Romuald durchaus fernsteht. Für ihn gilt das Ideal des römischen ‘imperator felix’, der mit dem Papst an der Vervollkommnung der universalen ecclesia zusammenarbeitet. Zu diesem Ideal gehört aber untrennbar auch die ‘christliche Weltentsagung’Ga naar voetnoot2), welche die Askese im eigentlichen Sinne, nicht der Form sondern dem Grundgedanken nach, mit dem Imperium gemein hat. Es ist also besonders darauf hinzuweisen, dass Gerbert-Silvester nicht eine ‘entgegengesetzte Kulturepoche’ vertritt; die ‘augustinische’ Diplomatie setzt wie das Einsiedlertum den relativen Wert der irdischen Güter voraus; nur sind die Folgerungen, die beide daraus ziehen, verschieden. Im Zusammenhang mìt der unrichtigen Beurteilung Gerberts ist die Meinung Sackurs, speziell Romuald, Adalbert und Nilus hätten gegenüber der ‘weltlichen’ Politik Silvesters das Ideal christlicher ‘Weltentsagung’ gepredigt, abzulehnen. Es handelt sich hier nicht um Weltentsagung gegenüber Weltbejahung, sondern wie wir nachweisen wollen, um das Mass, um die Form der Weltentsagung; Weltbeja- | |
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hung in unserem Sinne wäre eine Häresie gewesen, welche die Quellen als eine teuflische Perversität brandmarken würden. Daher ist eine Grenze zwischen Ottos ‘cäsaristischen’ und ‘asketischen’ Neigungen schon chronologisch nicht anzugeben; immer laufen seine Beziehungen zur ‘römischen’ Politik und zu den Vertretern der extremen Askese nahezu parallell. Diese innige Verbindung politischer und asketischer Elemente lässt sich teilweise schon aus den im dritten Kapitel dargelegten Verhältnissen herleiten und ist nicht bloss der zufälligen Persönlichkeit Ottos III. zuzuschreiben; die Reichspolitik verleugnet ja ihre konstante Richtung nicht, da alle Quellen die Anwesenheit der Asketen in der Umgebung des Kaisers als eine selbstverständliche Sache betrachten. Kaisertum und Askese waren noch nicht auseinandergewachsen; ihr gemeinschaftlicher Boden ist noch erkennbar. Eine ‘cäsaristisch-asketische’ Situation findet sich zum ersten Male bei dem lebhaften Verkehr zwischen Otto und Adalbert von Prag, einer der merkwürdigsten Figuren aus dem Kreis der italienischen Askese. Den böhmischen Heiligen, dessen Schicksal hauptsächlich durch einen Vergleich der Viten von Johannes Canaparius und Brun von QuerfurtGa naar voetnoot1) ziemlich gut rekon- | |
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struiert werden kann, findet man nach einer unsteten Laufbahn, die ihn einerseits mit der italienischen Askese in engste Berührung gebracht, andererseits schon als Bischof von Prag mit vielen Enttäuschungen überhäuft hatte, im Sept. 996 am Hofe Ottos III.Ga naar voetnoot1), wo der spätere Leo von Vercelli als ‘episcopus palacii’ seine Träume interpretierteGa naar voetnoot2). In demselben Jahre hatte Otto während seines Aufenthaltes in Rom die Bekanntschaft Adalberts gemachtGa naar voetnoot3): dieser Aufenthalt hatte aber nicht lange gedauert, weil Otto bald darauf wieder nach Deutschland ziehen musste; als Willigis von Mainz darauf bestand, dass er nach seinem Sprengel zurückkehrte, musste Adalbert das mönchische Leben im Alexiuskloster, das er statt seines Episkopates gewählt hatte, aufgeben und Rom verlassenGa naar voetnoot4). In Mainz verkehrten Kaiser und Asket als Freunde miteinander. Adalbert weilte sogar im Schlafgemach Ottos, damit er sich ungestört mit seinem Gastgeber unterhalten könnte, schrak aber ebensowenig vor der niedrigsten Arbeit zurückGa naar voetnoot5). Bezeichnend ist, was Canaparius über diesen intimen Umgang berichtet: ‘.. (Adalbertus) nocte pariter ac die velut dulcissimus cubicularius imperiali camerae adhaesit. Hoc autem non sic, velut saeculi aliquo amore captus, sed quia dilexit | |
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ipsum, et dulcibus dictis ad amorem coelestis patriae accendere voluit’. Adalbert ermahnte Otto, ‘ne magnum putaret se imperatorem esse; cogitaret se hominem moriturum, cinerem ex pulcherrimo, putredinem et vermium escam esse futurum’; zu einem richtigen Lebenswandel empfahl er ihm ‘praesentis vitae bona despicere, aeternitatis electionem desiderare, mansura quaerere, in rebus temporalibus et transitoriis fiduciam non habere’Ga naar voetnoot1). Aus dieser Beschreibung der merkwürdigen Beziehungen zwischen den beiden Männern bei Canaparius wird ersichtlich, wie und wo die Askese des Mönches und des Einsiedlers sich mit dem allgemeinen ‘depressiven’ Gehalt des Kaisertums verbindet. Adalbert drängt während seines Umgangs mit Otto ja nicht darauf, dass dieser der ‘Welt’ absagen soll; über die verschiedenen Grade der Askese, über die asketische Betätigung innerhalb oder ausserhalb der ‘Welt’ wird offenbar nicht einmal gesprochen. Die Vita setzt voraus, dass sich der Leser des allgemeinen Wesens der Askese, die sowohl den Hof des christlichen Imperators, wie die Einsamkeit des Eremiten durchdringt, bewusst ist. Die Ermahnungen, welche Canaparius Adalbert aussprechen lässt, passen genau zu der Auffassung, welche der Autor vom ‘römischen’ Imperium hatGa naar voetnoot2); es sind die im Mittelalter üblichen Warnungen vor dem Genuss der irdischen Güter als Selbstzweck, vor der unchristlichen Ueberschätzung des äusseren Scheines, die dem Teufel Macht über die Seelen gewährt. Otto möge nur nicht stolz auf seine Würde sein, denn auch er sei bloss ein sterblicher Mensch; er habe sich zu bemühen, lediglich den Ewigkeitsgehalt des Irdischen zu suchen (‘mansura quaerere, in rebus temporalibus et transi- | |
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toriis fiduciam non habere’) und die ‘Welt’ als Selbstzweck zu verschmähen (‘praesentis vitae bona despicere’). Es liegt hier die typisch augustinische Anschauung von dem christlichen Herrscher vor, der die irdische Herrschaft nur als Vorstufe zum himmlischen ‘regnum’ betrachtet. Der (relative) Gegensatz zwischen ‘vita activa’ und ‘vita contemplativa’ wird in diesem Zusammenhang gänzlich unberücksichtigt gelassen. Es ist symbolisch, dass der Asket am kaiserlichen Hofe verkehrt. Er sieht seine Aufgabe gar nicht in einer ‘Entthronung’ des Kaisers, sondern nur in einer möglichst innigen Verquickung ‘weltlicher’ Herrschaft und christlicher Gesinnung. Dass Mönchtum, einsiedlerisches Leben und Märtyrium die höchsten Stufen der asketischen Vervollkommnung bilden, verhindert nicht, dass auch der Imperator seinen schwierigen Beruf hat, da er in unausgesetztem Kampf mit den Verführungen des irdischen Lebens die Güter dieser Welt verwalten muss. Diesen Beruf durch seinen persönlichen Einfluss zu stärken, das Kaisertum vor der heidnischen Ueberschätzung der ‘Welt’ zu behüten, beabsichtigte der Aufenthalt Adalberts in MainzGa naar voetnoot1). Die Verbindung von Hof und Askese, die merkwürdige Erscheinung des ‘Hofasketen’ Adalbert von Prag, zeugen für ein ‘normales’ Grenzgebiet zwischen Imperium und mönchischer Weltentsagung; auf diesem Gebiete konnte der Kaiser den Asketen am Hofe empfangen, konnte der Asket dem Kaiser das Ideal eines christlichen Lebens vorhalten. | |
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Nach dem Mainzer Aufenthalt trennten sich aber ihre Wege auf immer; schon am 23. April 997 erlitt Adalbert den Märtyrertod in PreussenGa naar voetnoot1), nachdem sein Volk ihm die Rückkehr verweigert hatteGa naar voetnoot2); in demselben Jahre hatte Otto seine ganze Energie der Sicherung seiner Grenzen zu widmen und entstand das Programm GerbertsGa naar voetnoot3). Dass dennoch das Ende seines Freundes auf Otto mächtig eingewirkt hatGa naar voetnoot4), beweist der Adalbertkult, durch den der Kaiser sein Gedächtnis ehrteGa naar voetnoot5); dass aber mit dem Namen des Märtyrers ebensowenig der Gedanke des Imperiums verschwand, zeigt der Zug nach Gnesen im Jahre 1000. AdalbertverehrungGa naar voetnoot6) und politische AbsichtenGa naar voetnoot7) erscheinen hier in eigentümlicher Weise vermischt. Adalbert von Prag gehörte der extremen asketischen Richtung an, die in Italien ihr Zentrum hatteGa naar voetnoot8); das verhinderte offenbar keineswegs, dass er das Machtgebiet der ‘weltlichen’ Gewalt als notwendig anerkannte. Dieses Verhältnis des Asketen zum Imperium beleuchtet eine wenig beachtete Seite der extremen italienischen Askese überhaupt. Ist ihr Verhältnis den irdischen Gütern gegenüber ohne weiteres als ‘weltfeindlich’ zu bezeichnen? Ist die ‘Hofaskese’ Adal- | |
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berts eine Ausnahme, ein Kompromiss gewesen, oder wurde sie durch die Grundbegriffe der asketischen Führer, wie Nilus und Romuald, wesentlich bestimmt? Bevor wir unsere Aufmerksamkeit den asketischen Bussübungen Ottos III. in Italien zuwenden, ist diese Frage noch zu erörtern. Die italienische Askese des zehnten JahrhundertsGa naar voetnoot1) wurde geboren als eine Reaktion auf den tiefen kulturellen Verfall, der nach der karolingischen Periode in diesen Gegenden eintratGa naar voetnoot2). Im Gegensatz zu den Bestrebungen der Cluniazenser und ebenfalls zu der schroffen Askese der lothringischen ReformbewegungGa naar voetnoot3) werden die Anfänge der italienischen Reformation durch einen anarchistischen, anachoretischen Zug gekennzeichnet. Nicht die erneute, aber wenig erschwerte Benediktiner-Disziplin Clunys, welche im Einverständnis mit den ‘weltlichen’ Autoritäten betrieben wurde und zu einer förmlichen Grosspolitik Anlass gab, sondern nur ein zügelloses, in den härtesten Bussübungen sich offenbarendes Sündenbewusstsein beherrschte das Auftreten des armenischen Einsiedlers Symeon und des hl. Dominicus von Foligno; wenn auch von ihnen berichtet wird, dass sie Klöster gegründet haben, so ist doch ihre Tätigkeit völlig individualistischer Natur und nicht mit bestimmten coenobitischen Bestrebungen verbunden. In der nämlichen Zeit wohnte in Unteritalien der ehrwürdige Nilus von Rossano, ein Grieche, dessen asketisches Leben die Vita S. NiliGa naar voetnoot4) überliefert hat; sogar von den hohen Funktionären des griechischen Gebietes wurde er geehrtGa naar voetnoot5). 981, als die Sara- | |
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zenen Calabrien eroberten, zog er nach Capua und lebte mit seinen Genossen in dem Kloster S. Michael nach der strengen Regel des hl. BasiliusGa naar voetnoot1); später siedelte er nach Gaeta über, wo seine Begegnung mit Otto III. stattfand. Seinem Einfluss verdankte auch Adalbert von Prag die grosse Entscheidung seines LebensGa naar voetnoot2). Mit ihm befreundet war ebenfalls der Abt Leo von S. Bonifacius und Alexius, dem römischen Kloster, wo Adalbert eine Zeit verbrachteGa naar voetnoot3). Hier kreuzten sich griechische und römische Strömungen; die Mönche lebten teils nach der Regel des Basilius, teils nach der BenediktsGa naar voetnoot4). In der italienischen Askese mischen sich also okzidentale mit orientalischen Elementen; es entsteht eine Art geistlicher Symbiose, in der das strenge asketische Prinzip die formalen Unterschiede überbrückt. Die zentrale Figur der Bewegung aber ist RomualdGa naar voetnoot5), der Nilus an Bedeutung noch überragt. Romuald war mehr als ein grosser Asket, der in den gewaltigsten Selbstpeinigungen die kontemplative Ruhe zu erreichen suchte; er war ausserdem, wie Franke nachgewiesen hat, ein grosser Organisator. ‘Romuald hat... zum ersten Mal im Abendland den Versuch gewagt, das bisher regellos dahinlebende Eremitentum zu organisieren und in ein organisches Verhältnis zu dem bestehenden benediktinischen Mönchtum zu bringen’Ga naar voetnoot6). Der Anachoret erscheint hier besonders deutlich als Typus des Herrschers, | |
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der sich nicht mit der Verneinung des Irdischen begnügt sondern sich in einer systematischen Organisation der Verneinung (im Zusammenhang mit den übrigen ‘asketischen’ Sphären) eine Erweiterung der Grenzen der Einsiedelei anstrebt. Seine Entwicklungszeit verbrachte Romuald in Südfrankreich, wo er unter dem Abt Guarin in St. Michael di Cusan wohnteGa naar voetnoot1); bereits hier lebte er als Klausner, ‘non longe a monasterio’Ga naar voetnoot2). In Cusan studierte er u.a. die ‘Collationes Patrum’ des Johannes CassianusGa naar voetnoot3) und die vorhandenen kanonischen Regeln, welche das Eremitentum betrafenGa naar voetnoot4), die ihm in der späteren italienischen Zeit als Modell für seine Reformversuche dienten. Man soll dabei nicht ausser Acht lassen, dass diese Reform sich mehr der Methode als der Basis nach von der Reform der Cluniazenser unterscheidet. Cassian z.B. kennt eine tätige und eine beschauliche Form der Askese (actualis, ethica; contemplativa, theoretica); diese verhalten sich wie Mittel und Zweck, wie Kloster und Einsiedlerleben. In der Tätigkeit Romualds in Italien offenbart sich vor allem das Streben, diese Stufen der Askese in einer Organisation festzulegen. Auf Cassian berief sich aber auch die Benediktinerregel, die das anachoretische Ideal gleichfalls als die höhere Stufe der Vervollkommnung hinstellteGa naar voetnoot5). Es liegt demnach kein Gegensatz der Anschau- | |
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ungen, sondern eine erhebliche Differenz der praktischen Methoden vor. Indem Benedikt die Einsiedelei nur für einige Auserwählte reservieren wollte, betrachtete Romuald das Eremitentum als das wesentliche Ziel für die Mönche überhaupt; indem also das Ideal von Cluny sich leicht mit der ‘Welt’ abfand, weil es die extreme Askese nicht als sittliche Richtschnur für alle predigte, konnte die Reform Romualds, nicht ihrer asketischen Tendenz, sondern ihrer besonderen Konsequenzen wegen, mit der ‘weltlichen’ Gewalt in Konflikt geratenGa naar voetnoot1). Uebrigens aber stimmen Benedikt und Romuald in ihren Ansichten über das asketische Ideal gänzlich überein; der Unterschied zwischen Cluniazensern und Romualdinern bezieht sich nicht auf die Askese als solche, sondern auf den sittlichen, und folglich sozialen, Wert des Klosters und der Anachoretenzelle. Auch Romuald verband ja die von ihm gegründete Kolonien mit einem Kloster; nur war dabei die Zellengemeinschaft der Eremiten Hauptsache, das Kloster Vorstufe; die coenobitische Organisation sollte auf die Einzelaskese der Eremiten übertragen werdenGa naar voetnoot2). Romuald ist in seiner Reformtätigkeit das Gegenteil des romantischen Klausnertypus; in seinen Plänen war System. Wenn auch die Verwirklichung dieser Pläne mit den Tendenzen der ‘weltlichen’ und mönchischen Askese unvereinbar gewesen wäre, so zeigt doch seine Stellungnahme zum Kloster, als Zentrum seiner Kolonien, dass er für die Schwäche der Menschen ein richtiges Verständnis hatte; auch er war weit davon entfernt, die Zwischenstufen zu verschmähen. Infolgedessen sind Beziehungen zwischen den Anhängern der kluniazensischen Reformpartei und den Romualdinern wiederholt nachzuweisenGa naar voetnoot3). Odilo von Cluny befand sich seit 998 häufig in der Umgebung Ottos und Gregors; seinen Einfluss ver- | |
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bürgen die UrkundenGa naar voetnoot1). Die Versammlung, die am 4. April 1001 in Classe tagteGa naar voetnoot2), gibt von diesen Beziehungen die merkwürdige Illustration. Nicht mit Unrecht sagt Sackur, dass es den Eindruck macht, ‘als wenn sich die Elite der reformatorischen Kreise Norditaliens hier ein Stelldichein gegeben hätte’Ga naar voetnoot3). Ausser Otto und Silvester findet man dort Odilo von Cluny und Romuald persönlich, nebst verschiedenen Cluniazensern und Anachoreten. Die Differenz der Methoden verhinderte nicht, dass, wenn es sich um praktische Reformen handelte, wie z.B. die Bekämpfung der Simonie im Kloster Farfa, die gemeinsame Grundlage ein ausreichendes Verständigungsmittel botGa naar voetnoot4). Auch die italienische Askese, einerseits mit orientalischen Gedanken verquickt, andererseits organisatorisch mit Cluny verwandt, ist also nicht als eine völlig weltfremde Strömung anzusehen; ihr charakteristischster Vertreter Romuald, dessen Eifer in Angelegenheiten der Individualaskese nicht bezweifelt werden kannGa naar voetnoot5) trug bei seinen coenobitischen Organisationen der menschlichen Natur Rechnung. Die ganze frühmittelalterliche Gesellschaft, vom Imperator bis zum Anachoreten, wird durch das Prinzip vom relativen Werte der irdischen Güter beherrscht; und wenn der Zeitgenosse freilich die Stufen der Vervollkommnung nach dem Mass der Askese abmisst, so fehlt bei ihm doch niemals die Ueberzeugung, dass die Askese graduell beobachtet werden soll. | |
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Zwischen Kaiser und Asketen besteht also kein prinzipieller Gegensatz. Der Unterschied betrifft nicht die Lebenstendenzen, sondern den Grad der Vervollkommnung; und dieses Verhältnis findet man in der Stellungnahme Ottos III. zu den patres spirituales zurück. Dennoch hat man diesen Zusammenhang fast immer übersehen, oder mindestens vernachlässigt und dadurch die Bussübungen des Kaisers romantisiert, obgleich schon die Tatsachen dagegen sprechen. Wir wiesen schon darauf hin, dass die Züge nach M. Gargano und Subiaco mit exakten politischen Absichten verknüpft waren, und dass uns in diesem Jahre 999 auch die für Ottos Politik so charakteristischen Diplome ‘pro resti-tuenda re publica’ begegnenGa naar voetnoot1). Der Aufschwung der asketischen Neigungen bedeutet zugleich einen Aufschwung der ‘ecclesiastischen’ Politik; es entsteht nicht eine Lücke in der Kontinuität der Politik, sondern die Askese verbindet sich, schon chronologisch, untrennbar mit der Politik, weil, wie wir nachgewiesen haben, die Askese die Verstärkung des normalen Lebens, die Verschärfung der überall vorhandenen Tendenzen bildet. So war es in Mainz, als Otto und Adalbert am kaiserlichen Hofe über die Aufgaben des irdischen Daseins diskutierten; so ist es auch später in Italien. Der Kaiser sucht die Vervollkommnung des Gottesreiches auf Erden und in der eigenen Seele, in der Politik und in der Askese zugleich. Die Bussfahrt nach dem Michaelskloster auf M. Gargano wird mit Recht dem Sündenbewusstsein Ottos zugeschriebenGa naar voetnoot2). Eine Angst, die im Mittelalter so oft zur | |
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Askese führte, eine Angst, die, vom Anlass abgesehen, durch den Charakter des mittelalterlichen Imperiums verständlich wird, trieb den Kaiser in die Einsamkeit; stets mit den Angelegenheiten der ‘Welt’ beschäftigt, ist der Imperator ja fortwährend den teuflischen Verlockungen ausgesetzt. Die Härte der Bestrafung der beiden Gegner, Crescentius und Philagathos, wurde Otto von Romuald und Nilus als ein Verstoss gegen die Pflicht des frommen Herrschers angerechnetGa naar voetnoot1), der gesühnt werden musste. Nilus aber, den Otto auf dem Rückweg besuchte, war durch die Bussfahrt nicht befriedigt. Als der Kaiser die Wohnstätten der Mönche seiner Ansiedlung sah, sprach er nach der Vita S. Nili: Ἰδοὺ αἱ σϰναἰ τοῦ Ἰσοαὴλ ἐν ἑϱήμῳ. ἱδοὺ οἰ πολίται τῆς οὐϱανῶν βασιλείας.....Ga naar voetnoot2). Der alte Eremit lehnte aber alle Schenkungen ab, und prophezeite seinem Gast den Tod, worauf Otto sich vor ihm demütigteGa naar voetnoot3). Im Sommer 999 weilte Otto mit Franco von WormsGa naar voetnoot4) in Subiaco; ‘induti ciliciis, pedibus penitus denudatisGa naar voetnoot5), quandam speluncam iuxta sancti Clementi ecclesiamGa naar voetnoot6) clam cunctis intraverunt, ibique in orationibus et ieiuniis necnon in vigiliis quatuordecim dies latuerunt. Ferunt quidam visionibus et allocutionibus divinis eos crebro hoc loco fuisse | |
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consolatos’Ga naar voetnoot1). Auch dieses asketische Intermezzo zeigt, dass die Selbstzüchtigung nicht mit dem pseudocyprianischen Königsideal im Widerstreit stand, sondern es nur nach einer Seite verschärfte; das Sündenbewusstsein trieb den Kaiser zu einer möglichst konsequenten Abwehr der ‘weltlichen’ Verführungen, gerade weil er in dieser ‘Welt’ leben musste. Daraus lässt sich also gar nicht schliessen, dass er ‘der Welt entsagen’ wollte; er ‘entsagte’ der ‘Welt’ nur, soweit diese Welt, als irdischer Selbstzweck, sein Gewissen bedrängte. Vermutlich datieren die Beziehungen zwischen Otto und Romuald vom Jan. oder Febr. 998, als der Kaiser auf seinen Feldzug gegen Crescentius in Ravenna warGa naar voetnoot2). Damals lebte der Einsiedler in seiner Kolonie auf der Insel PereumGa naar voetnoot3), einer ‘Anachoretenmusterschule der Romualdiner’Ga naar voetnoot4). Wahrscheinlich im Okt. oder Nov. desselben JahresGa naar voetnoot5) bat Otto ihn die Abtswürde in S. Apollinare antreten zu wollen, nachdem er ihm schon früher seine Sünden gebeichtetGa naar voetnoot6) und den Busszug nach M. Gargano unternommen hatte. Als der Kaiser darauf bestand gab Romuald nach. Seine Strenge verursachte aber bald Unzufriedenheit unter den Mönchen, sodass er bereits im Dez., 999 seinen Stab Otto vor die Füsse warfGa naar voetnoot7) und sich nach M. Cassino zurückzogGa naar voetnoot8). Nach dem Zug nach Gnesen findet man Romuald wieder | |
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in der Umgebung Ottos; sein Einfluss stieg fortwährendGa naar voetnoot1). Jan. 10O1 erscheint er als Vermittler in TivoliGa naar voetnoot2); dann zieht er mit Otto nach der Empörung in Rom wieder nach dem Norden. Die asketische Tendenz am Hofe erreicht in diesem Jahre ihren Höhepunkt; in S. Apollinare führte der Kaiser das Leben eines Eremiten, wenn er auch die Zeichen des Imperiums beibehielt. ‘Ubi ieiuniis et psalmodiae, prout valebat, intentus, cilicio ad carnem indutus aurata desuper purpura tegebatur. Lecto etiam fulgentibus palliis strato, ipse in storia de papiris compacta tenera delicati corporis membra terebat. Promisit itaque beato Romualdo, quod imperium relinquens, monachicum susciperet habitum’Ga naar voetnoot3). Zwei Tatsachen scheinen hier einander zu widersprechen. Erstens bleibt Otto, nach den Angaben des Petrus Damiani, auch während seiner Bussübungen Imperator, ist er eben der Fürst, der im Bewusstsein seiner Macht sich peinigt; und diese Kombination von Imperium und Askese stimmt völlig zu den ungefähr gleichzeitig in DO III 389 verkündigten Auffassungen über die Weltherrschaft RomsGa naar voetnoot4). Zweitens aber verspricht Otto Romuald, er werde dem Imperium entsagen und die Mönchskutte annehmen. Während sonst die ‘Hofaskese’ als Begleitsymptom der kaiserlichen Politik erscheint und als solche nur eine Verschärfung des ‘depressiven’ Königsideals bedeutet, neigt Otto sich hier auf einmal entschieden zum Mönchtum. Dass er sein Wort nicht gehalten hat, liegt auf der Hand; vergeblich forderte Romuald später die Einlösung des Versprechens. ‘At ille facturum se quidem quod exigebatur asseruit, si tamen | |
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prius Romam, quae sibi rebellabat, impeteret et ea devicta Ravennam cum victoria remearet. Cui Romualdus: ‘Si Romam’ inquit ‘ieris, Ravennam ulterius non videbis’Ga naar voetnoot1). Wie auch aus den Nachrichten Bruns hervorgehtGa naar voetnoot2), betrachten die Zeitgenossen das Mönchsgelübde einer mächtigen ‘weltlichen’ Person wie Ottos III. nicht einfach als den konsequenten Abschluss eines asketischen Lebens, sondern vielmehr als die Anfang eines neuen Lebens. Dass ein Kaiser sich der Askese befleissigt, ist eine normale Begleiterscheinung, dass er zum Mönchtum übertritt, ist eine Sühne für das Leben in der Welt überhaupt. Man hat das Versprechen Ottos als ein Symptom des konsequenten romualdinischen Denkens anzusehen, das ja das Ideal der Askese ausserhalb der ‘Welt’, im Gegensatz zu Cluny, als allgemeines Postulat des geistigen Lebens propagierte. Man kann nicht genügend betonen, dass ein Uebertritt des Kaisers zum Mönchtum nicht eine Konsequenz der Askese überhaupt, sondern eine ganz besondere Konsequenz nur der romualdinischen Askese bedeutet haben würde. Nicht zwischen Cäsarismus und Askese, wie Giesebrecht suggeriert hat, sondern zwischen ‘cäsaristischer Askese’ und ‘mönchischer Askese’ liegt für den mittelalterlichen Menschen die Grenze!Ga naar voetnoot3) Auch Romuald hat, wie er bei seiner coenobitischen Organisation des Anachoretentums auf die Stufen der Vervollkommnung Rücksicht nahm, Ottos Uebergang zum Mönchtum (und sicherlich später zum höheren Grade der Einsiedelei) nicht als die für ein ‘asketisches’ Leben unbedingt notwendige Forderung betrachtet; das beweist schon seine Teil- | |
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nahme an dem Königsgericht vom 4. April 1001Ga naar voetnoot1). Zweifellos hat er das Gelübde als eine Strafe aufgefasst, die den Busszug nach M. Gargano, gleichfalls von ihm mit veranlasstGa naar voetnoot2), ergänzen sollteGa naar voetnoot3). Aus dem Urteil Bruns von Querfurt wissen wir, wie man in den Kreisen der Romualdiner über Ottos römische Politik dachte; ‘ipsa Roma.. a Deo datum apostolorum domicilium erat’Ga naar voetnoot4). Damit hängt die scharfe Replik Romualds, die sonst unverständlich bleibt, zusammen: ‘Si Romam ieris, Ravennam ulterius non videbis’. Die römische Politik ist, auch nach Romuald, die grosse Sünde Ottos, die nur in der ravennatischen Einsamkeit gebüsst werden kann; und jeder Versuch, von neuem von der Apostelstadt Besitz zu ergreifen, sogar wenn sie rebelliert, wird als eine Aeusserung der ‘superbia’ abgewiesen. Als ‘mönchisch’ kann man die asketischen Neigungen Ottos III. also gewiss nicht bezeichnen; in allen Stadien seines kurzen Lebens, sogar unter dem Einfluss des grossen Romuald, bleibt seine Selbstkasteiung Nebenerscheinung bei seiner Politik; und das einzige Mal, dass er, durch ein Uebermass des Schuldbewusstseins bedrängt, der ‘Welt’ entsagen wollte, kam er seinem Versprechen nicht nach. Vielleicht ist das schon der beste Beleg dafür, dass nicht die Askese, sondern lediglich die Form der Askese für das frühe Mittelalter ein Problem war.
In der Einleitung dieses Buches haben wir bereits auseinandergesetzt, wie wir den Begriffsbestimmungen ‘Individualität’ und ‘Kollektivität’ gegenüberstehen. Zu einem undog- | |
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matischen Verständnis für das Individuelle kann man nur gelangen, wenn man die Grenzen des Kollektiven, des nicht weiter in persönliche Differenzen Zerlegbaren angegeben, ‘übersetzt’ hat. Es lag hier also ein Problem des Begriffes, nicht der Tatsachen vor. Die begriffliche Ordnung des Tatsachenmaterials, das Verhältnis zwischen dem Geschehenen und der Sinngebung, der Kausalzusammenhang von geistigen und stofflichen Prozessen sind in den verschiedenen Zeiten verschieden; ebensosehr sind die Normen, die Durchschnittswertungen einer Gesellschaft, einer Kategorie, verschieden, unterliegen folglich auch die Handlungen der Individuen in den verschiedenen Kulturperioden verschiedenen Kriterien. Die Möglichkeit der Abgrenzung einer Persönlichkeit ist also in hohem Grade davon abhängig, wieweit das Auge des späteren Menschen unter den von ihm begrifflich übersetzten Symbolen des Kollektiven in einer vergangenen Periode noch die Konflikte und Reaktionen der Individuen zu entziffern imstande ist. Dass von einer ‘Biographie’ in modernem Sinne über Otto III. niemals die Rede sein kann, liegt auf der Hand. Die moderne Biographie, die ein Porträt geben will, verfügt über eine Menge individueller Einzelheiten, welche hier fehlen oder nur mit Mühe aus einem psychologisch andersartigen Idiom übersetzt werden können. Eines der Resultate der vorstehenden Untersuchung war sogar, dass dem Individuellen in den Handlungen und Plänen Ottos ein viel unbedeutenderer Platz zukommt, als man angenommen hat; weder seine römische Politik, noch seine asketische Auffassung vom Imperium unterscheiden sich ihrem Gehalt nach von den Anschauungen der Zeitgenossen. Allerdings fehlt eine Opposition keineswegs; diese Opposition aber richtet sich gegen die praktische Interpretierung der Hauptideen, nicht gegen diese selbst. Die Grundgedanken: die Wiederherstellung der Ecclesia Dei einerseits, die ‘aske- | |
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tische’ Beschaffenheit des Imperiums andererseits, sind kollektive Normen des DenkensGa naar voetnoot1). Auch die Ideen der Gruppen zeichnen sich noch deutlich ab. Ueber die praktische Gestaltung der Ecclesia auf Erden besteht keine Einstimmigkeit, weil eben hier das politische Ideal und die soziale Notwendigkeit sich kreuzen. So sieht man z.B., dass auch die französischen Könige ihre Politik auf Grund des Ecclesiagedankens mit dem Ideal der justitia und mit eschatologischen Elementen verbindenGa naar voetnoot2); das Regnum wird von den verschiedenen Gruppen selbstverständlich als Programmpunkt verwendet und nach den praktischen Bedürfnissen interpretiert. Der Kreis um Otto III. betrachtet als die höchste ‘weltliche’ Macht das universale Imperium, als die Ecclesia ein in den Schriften Gerberts und Leos von Vercelli umschriebenes Reich, das die Lehnsstaaten umfasst und in Rom sein Zentrum hat; im Zusammenhang damit begrüsst diese Gruppe Otto als den Friedenskaiser. Die Opposition kann die römische Politik nicht billigen, sei es, dass sie, wie Thietmar, Provinzialbeschwerden hegt, sei es, dass sie, wie Brun von Querfurt, die Autorität des heiligen Petrus beleidigt glaubt: sie sieht die Zeit Ottos III. als eine aetas ferrea an. Ebenso lassen sich die Auffassungen über den asketischen Gehalt des Imperiums unterscheiden. Gegenüber der Normalanschauung, dass die kaiserliche Würde eine gewisse Enthaltsamkeit fordert, verlangt die Gruppe der Romualdiner in bestimmten Fällen den Uebertritt des Kaisers zum Mönchtum, zur ausserweltlichen Askese. Was bleibt schliesslich für die Persönlichkeit Ottos übrig? | |
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Wir haben schon dargelegt, dass man mit der Annahme einer Unfähigkeit des frühmittelalterlichen Denkens zur Persönlichkeitsschilderung (Lamprecht) nicht auskommtGa naar voetnoot1); auch der mittelalterliche Mensch gibt eine persönliche Charakteristik, wie sich in Einzelfällen unbestreitbar herausgestellt hatGa naar voetnoot2). Seine Charakteristik aber ist selbstverständlich durch die kollektiven Normen seiner Zeit bedingt; wenn er demnach das Individuelle angeben will, gibt er Variationen aus diesen Normen, nicht aus den unsrigen, und das erschwert die Transposition des Urteils erheblich. Das oben S. 179 ff. angeführte Beispiel, die Kritik Bruns von Querfurt in der ‘Vita Quinque Fratrum’, zeigt klar, dass man diesem Umstand Rechnung zu tragen hat. Ein besonderer Nachteil in diesem speziellen Fall ist ausserdem das Fehlen einer zeitgenössischen Biographie, in der das Leben des Kaisers nach mittelalterlichen Anschauungen als Einheit zusammengefasst wird. Infolgedessen ist das verfügbare Material zu gering, um mit Erfolg eine detaillierte Rekonstruktion der Persönlichkeit Ottos III. wagen zu können; der Methode Giesebrechts ist doch wegen ihrer allzu leichtfertigen Analogien nicht länger beizupflichten. Namentlich der persönliche Anteil Ottos an der politischen Aktivität des römischen Hofes ist schwerlich festzustellen; man weiss nicht genau, wieweit er nur passives Symbol der Pläne Gerberts und Leos von Vercelli gewesen ist, wieweit er selbst eine aktive Rolle gespielt hat; dass die Urkunden ihn die Regierungshandlungen verrichten lassen, dass die Quellen ihn für sein Regiment verantwortlich machen, beweist nur, dass man das Imperium nicht vom Imperator lösen konnte. Wenn dagegen die Neigung zur schroffen Askese eine | |
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etwas deutlichere Sprache redet, so soll man auch hier vorsichtig verfahren. Zwei Umstände müssen hier in Erwagung gezogen werden. Erstens ist der asketische Ausgangspunkt ein allgemeines gesellschaftliches Ideal, und das praktische Ausleben dieses Ideals wird nicht, wie in der modernen Gesellschaft, durch soziale Konventionen gebändigt: zweitens ist infolgedessen der Zeitgenosse geneigt, die strenge Ausübung der Askese zu verklären und zu übertreiben. Diese Wechselwirkung zwischen dem kollektiven Ideal und der individuellen Lebensgestaltung ist sehr wichtig, weil daraus erhellt, dass das Pathologische im historischen, konkreten Sinne nicht einfach mit dem Pathologischen im psychiatrischen, abstrakten Sinne zusammenfällt. Isoliert man den ‘Fall’ Ottos III. aus den Bedingungen seiner Zeit, so bleibt zweifellos eine interessante Geisteskrankheit übrig; die ‘visiones et allocutiones divinae’Ga naar voetnoot1) sind leicht als Halluzinationen zu erklären. Eine solche Isolierung nimmt aber keine Rücksicht auf den historischen Zusammenhang eines Zeitalters, das nicht von Halluzinationen, sondern von göttlichen Anreden spricht! Ohne Ausnahme preisen die Quellen die Askese des Kaisers, und der rücksichtslose Märtyrer Brun von Querfurt nimmt ihm sogar übel, dass er nicht zum Mönchtum übergetreten ist. Das frühe Mittelalter erkennt in allen sozialen Schichten das Ideal der Askese, und das besonders in seiner körperlichen Form, als Ideal an; und das bringt mit sich, dass einerseits die asketische Veranlagung der Individuen sich schrankenlos ausleben kann, andererseits die Gesellschaft die asketischen Erscheinungen schützt und fördert, weil sie den Normen der ‘depressiven’ Gesellschaftslehre entgegenkommen. Wenn man die Bussübungen Ottos als pathologisch bezeichnet, so qualifiziert man die Anschauungen einer ganzen Kulturperiode als patho- | |
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logisch und gibt damit ein Werturteil zu Gunsten der eigenen Kriterien ab, wozu der Historiker nicht berechtigt ist. ‘Pathologische Zeitanschauungen’ ist im historischen Sinne ein nichtssagender Ausdruck: erst bei einem Vergleich mit anderen Zeitanschauungen, der also nicht den Organismus des Zeitalters selbst untersucht, sondern eine kulturphilosophische Wertung der Zeitalter untereinander beabsichtigt, kann das Wort ‘Pathologie’ seine Rechte wieder geltend machen. Es ist nicht unsere Aufgabe, den ‘Fall’ Otto III. zu isolieren und klinisch zu zergliedern; wir deuten nur darauf hin, dass durch diese abstrakte Methode nicht nur Otto III., sondern auch seine Zeit getroffen werden muss, falls man die soziale Wechselwirkung nicht übersehen will. Versucht man aber eine Beurteilung dieser Persönlichkeit in rein historischem Sinne, so kommen als sichere Kriterien eigentlich nur in Betracht seine Jugend, seine physische Konstitution und seine ausgesprochene Neigung zur schroffen Individualaskese, die beiden ersten Faktoren als allgemeine biologische Voraussetzungen, der letzte als einziger quellenmässig hinreichend verbürgter individueller Charakterzug; denn ob man Nachrichten wie diese, dass Otto sich an einen halbrunden Tisch gesetzt habeGa naar voetnoot1) und sich schon vor seinem Römerzug lange nach Italien sehnteGa naar voetnoot2), als charakteristisch für seine Persönlichkeit betrachten soll, ist mindestens äusserst zweifelhaftGa naar voetnoot3). Auch den Aeusserungen des jungen Kaisers in der | |
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Briefsammlung GerbertsGa naar voetnoot1) darf man keinen grossen persönlichen Gehalt in engster Bedeutung beimessen, weil sie sorgfältig stilisiert wurden und hauptsächlich nur verraten, dass am Hofe ein Hang nach griechischer Bildung Sitte war. Einen festen Anhaltspunkt bietet aber die Jugend Ottos, weil wir die Entwicklungsperioden des Lebens, als biologische Voraussetzung, unter allen Denkformen als identisch ansehen dürfen. Otto hatte, als er 1002 starb, das Pubertätsalter kaum überschritten. Wir sahen bereits, dass auch die Quellen die Jugend eines Königs als einen ungünstigen Faktor betrachtenGa naar voetnoot2); sie erwähnen häufig seine kindliche FehlerGa naar voetnoot3). Nach Beginn der Selbständigkeitsperiode erscheint freilich der König als die regierende Person, aber doch zweifellos manchmal bloss formal; denn die geistige Reife des Mannes hat Otto z.B. in dem wichtigen Jahr 997 sicherlich noch gefehlt. In dieser Hinsicht können wir die Darstellung Giesebrechts beibehalten. Dieser konnte mit Recht aus der Jugend des Kaisers schliessen, dass er sich nicht zu einer wahren Selbständigkeit emporzuarbeiten vermochte, von Einflüssen abhängig blieb. Die Politik Ottos III. ist die Politik eines Kreises, in dem Gerbert und Leo von Vercelli die grosse Rolle spielten. Wir können höchstens aus der griechischen Erziehung OttosGa naar voetnoot4) ableiten, dass er selbst den Ideen dieser Männer nahe gestanden hat. Genauer sein persönliches Verhältnis zur ‘ecclesiastischen’ Byzanzpolitik anzugeben, wird wohl nicht möglich sein; aber so unrichtig es war, diese Politik seiner Phantasie zuzuschreiben, so unbe- | |
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gründet ist es, ihm jeden Anteil an dem Renovationsgedanken abzusprechenGa naar voetnoot1). Wir wissen weiter, dass Ottos Gesundheit schwach war. Dem italienischen Klima war er nicht gewachsenGa naar voetnoot2). Dass er eine besonders zähe Natur war, ist also nicht wahrscheinlich; auch die überlieferten Bilder zeigen eine zarte Gestalt. Kemmerich behauptet, diese Bilder zeigen mehr als einen ‘Herrschertypus’, nämlich eine gewisse ‘naturalistische’ AehnlichkeitGa naar voetnoot3); hinsichtlich des Aussehens Ottos kommt er zu dem folgenden, von uns nur unter Vorbehalt zitierten Ergebnis: ‘Der Kaiser war jung und bartlos; erst gegen das Ende seiner Regierung sprosste ihm leichter Flaum um das spitze Kinn. Sein Gesicht war länglich-oval, die Stirn von Locken bedeckt, die Nase gerade. Seine Haare waren dunkel... Deshalb können wir auch auf dunkle Augen schliessen, was bei der byzantinischen Mutter ohnehin grosse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Figur des jugendlichen Herrschers war wahrscheinlich, wie die seines Vaters, zierlich’Ga naar voetnoot4). Wenn auch diese Analyse in Einzelheiten äusserst zweifelhaft bleibt, so scheint es doch nicht gewagt, Jugend und physische Veranlagung für Ottos Impulsivität auf asketischem Gebiet mit verantwortlich zu machen. Der jugendliche Enthusiasmus des schwachen Körpers kann leicht in eine gegen den Körper selbst gerichtete Aktivität umschlagen, besonders wenn die sozialen Bedingungen eine solche Wendung erleichtern. Wir sind damit an das letzte sichere Kri- | |
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terium gelangt: die Neigung Ottos zur Individualaskese. Obgleich wir wiederholt die romantische Deutung dieser Askese bei Giesebrecht u.a. abgelehnt haben, so dürfen wir doch jetzt in Erwägung ziehen, dass die Vorliebe für die strenge körperliche Selbstquälung einer persönlichen Veranlagung entsprochen haben muss. Nicht das Ideal, sondern die praktische Verwirklichung des Ideals ist persönlich. Die augustinische Lehre von dem relativen Wert der irdischen Güter ermöglichte ja verschiedene Kompromisse mit dem Lebensgenuss, weil man ebensowohl die Güter als den relativen Wert betonen konnte; das ‘depressive’ sozial-politische Ideal war meistens wenig mehr als eine theoretische Norm des Urteils. Wenn auch der Typus des wahrhaft frommen Herrschers, wie die Figur Heinrichs II. zeigt, durchaus keine Ausnahme gewesen ist, so bleibt doch die asketische Konzentration Ottos III. ein Beispiel, das nicht seinesgleichen hat. Dass Otto sogar vorübergehend an einen Uebertritt zum Mönchtum gedacht haben soll, beweist, dass seine Lebensweise auch Elemente enthielt, die man als unsozial bezeichnen kann, weil doch die grosse Majorität der Untertanen den romualdinischen Konsequenzen niemals beigepflichtet hat. Dennoch ist er Mittelpunkt der grossen universalistischen Gedanken gewesen, welche in dem römischen Kreise ein politisches Programm hervorriefen; und daraus ergibt sich, dass der absolute Gegensatz von Kaiser und Einsiedler eben in dieser Persönlichkeit legendarisch geworden ist. |
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