Menno ter Braak
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Albert Vigoleis Thelen
Buochs, bei Wyssch-Dürren, 3 augustus 1937
Buochs, 3. Aug. '37
bei Wyrsch-Dürren
Lieber Thelen (lassen wir doch bitte den Herrn und den Doktor, gegenseitig: wir wissen ja beide, wie es um die ‘Herrschaft’ steht!). Ich war gestern in Küssnacht bei Thomas Mann. Es war ein Besuch, der meine Vermutungen über den Menschen und den Schriftsteller durchaus bestätigt hat. Mein Eindruck ist wirklich sehr günstig. Er ist was er ist, wie er schreibt: ein bisschen Castorp in älteren Jahren, freundlich, und nicht starr und pedantisch geworden wie Huizinga... mit dem er übrigens in der Kategorie des 19. Jahrhunderts gehört. Das fühlt man sofort: er will unseren Problemen mit allem Wohlwollen entgegenkommen, bleibt trotzdem Humanist im alten Sinne des Wortes. Er kann aber nicht dafür, und ich hoffe, dass ich in den sechziger Jahren noch so bin wie der Thomas. Wenn ich Gelegenheit habe, schreibe ich ein ‘Porträt’ von ihm in ‘Het Vaderland’.
Nun die Praxis. Mann interessierte sich lebhaft und nicht nur anstandshalber für Ihre Bemühungen um den ‘Karneval’. Er sagte mir, dass er einen sehr sympathischen Eindruck von Ihnen bekommen hatte und erklärte die Ablehnung Bermanns etwas einfacher und weniger ‘tief’ als Herr Bermann selbst in seinem idiotischen Schreiben (das war wirklich die Höhe!): ‘keine Mittel, wenig Aussicht auf Erfolg bei dem Leserkreis’. Weiter hat er mich aus eigener Bewegung um einen Beitrag für seine neue Zeitschrift gefragt; natürlich unter Vorbehalt, dass er ihm gefällt, aber ça va sans dire. Wir haben fast über nichts anderes als das Christentum gesprochen, sodass er besonders neugierig ist auf mein Buch, aus dem er ein Kapitel bringen möchte. Er interessierte sich stark für die Parallele Marx-Augustin. Ich denke aber, dass das Kapitel ‘Christus, der Antichrist’ ein geschlossener Aufsatz ist, und dabei der ‘Schlüssel’ zum Problem. Hätten Sie Gelegenheit das jetzt zu übersetzen? Ich möchte Ihnen folgendes vorschlagen: Sie übersetzen das Kapitel, und ich sehe es durch, schicke es dann umgehend am Mann. Lehnt er unverhofft ab, dann zahle ich Ihnen 20 Gulden auf eigne Rechnung; ist es für mich doch sowieso wertvoll den deutschen Text zu besitzen. Schlägt Mann zu, dann zahlt der Verlag Oprecht, der die Zeitschrift herausgeben wird. Was halten Sie von der Idee?
Es gefällt uns hier besonders gut, das Wetter ist günstig, und Buochs ist ein ruhiges Dorf ohne grossen Betrieb und (Ausnahme in dieser Gegend) fast ohne Holländer. Die Holländer verpesten förmlich die Dämpfer, sind aber in den Bergen nicht zu finden, weil sie nicht die Bergtouren machen, die wir vorziehen.
Über den Scheck kann ich wohl nicht mehr schreiben, denn, wenn ich mich nicht irre, zahlt man immer am 1. August. Sie werden also dieses Mal noch nach Locarno fahren müssen.
Diesen Brief lassen Sie bitte Marsman und Binnendijk lesen! Ich bin zu faul um viel zu schreiben.
Mit herzlichem Gruss Ihr
Menno ter Braak
Origineel: Den Haag, Letterkundig Museum