Die Proklamation der Gruppe von Künstler über Fragen, die der Beurteilung des Kongresses nicht unterliegen
Wir sind gegen diese gegenstandslose, als auch gegenständige Kunst, die dem haltlosen und nicht organisierten Individualismus, der sich auf Gefühl und Intuition stützt, selbstbewußte Arbeit am Werke ablehnt und dem Beschauer nur eine Kakophonie von wirren Stimmungen des Schöpfers zeigt, zur Arena dient.
Gefühl und Intuition erscheinen als die Quelle des Schaffens, aber die Erscheinung des Schaffens wird niemals die natürliche Verrichtung des Menschen sein, wenn sie von organisiertem und konstruierendem Gedanken gesättigt ist.
Jedoch, da die Kunst als endgültigen Abschluß die Persönlichkeit mit der größten Fülle auszudrücken zur Aufgabe hat, so ist eben der Individualismus unentbehrlich. Die Werke der Kunst, denen man diese Kraft entzogen hat, sind nur Manifestationen, deren Daseinsfrist sich in ein paar Jahren erschöpft.
Wir sind gegen jene Künstler, die die Kunst in eine ‘hohe’ und ‘niedrige’ (l'art populaire) einteilen, weil dies uns sentimentale Romantik einer alten Jungfer, die den Mond und eine Rose mit Bewunderung ansieht, scheint.
Wir sehen auf die gegenstandslose Kunst bei reinem Schaffen, wie auf einen analytisch-belehrenden Ausflug, da sie entwickelnde Kunst, nicht aber Kunst der Vollendung darstellt.
Künstler, die sie als Kunst der Vollendung (hohe Kunst) auffassen, verfallen unvermeidlich ins Dekorative, - oder streben über die Geseɮesgrenze der bildenden Kunst hinauszugehen, oder versinken in unsinnige oder zwecklose Träumereien von amerikanischen Bauten, und sind im Grunde nichts anderes als die verzerrten Phantasien langbärtiger Merren, die im reifen Alter von den Romanen Wells hingerissen sind. Das Bildwerk muß in dem Sinne einer Maschine gleichen, wie die leɮte nach dem Prinzip des utilitaristischen Rhythmus organisiert ist, so muß auch das Bildwerk nach dem Prinzip des ästhetischen Rhythmus, der nicht weniger zweckmäßig ist, organisiert sein.
Wir sind gegen das Aufdrücken der Bezeichnung ‘Kollektivkunst’ für radikale Kunst.
Zur Begründung dieser Bezeichnung können wir anführen: das bedingte Denken und die Vermischung der Gefühle, was ungefähr das gleiche bedeuten würde, als wenn man die Medizin als Bourgoise, die Philosophie als soziale Angelegenheit usw. bezeichnen würde. Wie jedoch der Sozialismus in der gegenwärtigen Gesellschaft nur als Methode der kritischen Arbeit erscheint, so bildet die Doktrine des Kollektivismus die Anregung zur Arbeit. Für den Sozialismus, der eine von den Kräften darstellt, die in Gemeinschaft den Organismus der gegenwärtigen Gesellschaft bilden, ist die Doktrine des Kollektivismus ein bedingendes Ziel, ein bedingender Preis, die Ursache der Aktivität. Der Sozialismus, der in der Hauptcharge Kritik ist, faßt die neue Gesellschaft als die verbesserte alte auf; jedoch in der Praxis als eine Erscheinung, geboren von der europäischen materialistischen Kultur, wird er in der realen Verwirklichung nur die maximale Spannung der europäischen Kultur sein.
Philosophie, Wissenschaft und Kunst können keine bestimmte Ziele haben, ihre Ziele bestehen in ihrer inneren Bewegung, die Zukunft, die sie eröffnen und bilden, kann nur durch die Verwandlung eines Individuums, einer Einheit im Kosmos formuliert werden.
In diesem Sinne ist die radikale Kunst einfach Kunst der Zukunft, insofern, als sie diese Zukunft bildet, Kunst der zukünftigen Kultur, die auf neuen und breiteren Geistesmöglichkeiten und auf einer synthetischen Basis, nicht analytischen Kenntnissen, aufgebaut sein wird.
Wir finden. Wir finden, daß das Recht des Denkens in der Ebene des Sozialismus auch den Malern als Privatleute zusteht, nicht aber als Denkern auf dem Gebiet des ästhetischen Schaffens. Im gegensäɮigen Fall würde es zur Verengung der Aufgaben, zu unvermeidlichen Conventionen, Sophismen und Parteiigkeit führen, die immer und überall die Schöpfungskraft der Persönlichkeit in taktische Klemmungen verzerren wird.
Weiter, die Anhänger der kollektivistischen Kunst versehen diese als eine die den Beschauer aktiv verleitet, und auf diesen Grund ist sie sichtbar auf die Zerstörung der ‘Kunst als Selbstzweck’ begründet.
Wir unsererseits finden, daß die Kunst eine selbständige Disziplin wie die Wissenschaft bleiben muß.
Wir geben zu, daß früher oder später die Verwirklichung der summarischen aktiven Kunst, außerhalb der Grenzen, der selbständigen Kunst möglich sei.
Begründung dafür führen wir an, daß eine Reihe von Malern, die sich eine Zeitlang mit derselben Arbeit wie wir, der Arbeit der Analyse-Zerlegung beschäftigt haben, diese als eine Arbeit der Gegenstandszerslörung aufgefaßt haben.
Den Teilrhythmus (d.h. die Bewegung) studierend, haben sie ihn als Bewegung außerhalb der Grenzen des Bildwerkes aufgefaßt, da er seinem Wesen nach im Bilde eine unvollendete Bewegung war; sie haben die Konstruktion des Bildes als Konstruktion im allgemeinen und die Erwerbung der Kenntnisse in der Kunst als Vorbereitung zu einer gewissen Praxis benuɮt.
Genau so wie gelangweilte Gymnasiasten in der Schule beschlossen, daß das Ziel des Lernens in dem Erlangen eines Ingenieur-, Architekten- oder Doktordiploms, nicht aber in der Wissenschaft selbst liegt, und infolgedessen in industriellen Dilettantismus verfielen, der zur Selbstvernichtung nicht nur von