herrscht von Cochin-China bis Marocco und zum Sengal, überall als militärische Despotie empfunden. England will den Nil von Abessynien und dem Sudan bis Ägypten in den Dienst seiner Kapitalisten stellen und ist dadurch von allen Völkern jener Länder mehr als je getrennt. Italien wünscht sich in Abessynien, am Roten Meer, in Arabien, in Kleinasien einzuwurzeln, - Syrien und Palästina, Mossul und Mesopotamien wurden den einheimischen Völkern im Interesse europäischer Pläne entrissen, Persien vegetiert nur noch, wie auch der englisch-französische Pufferstaat Siam; Singapore als englische, die Phillipinen als amerikanische Flottenbasis bedrohen Japan. In Holländisch-Indien liegt augenblicklich für das europäische Publikum das Schweigen des Grabes über der Repression der sozial-nationalistischen Empörungsversuche. Nach China oder in seine nächste Umgebung ist eine riesige englische Armada unterwegs. Syrien und das Riff (Marocco) liegen zu Boden. In früheren Jahrzehnten durchlebten wir die Tragödien des Sudan, Madagascars, des Congo, der Herero, der Zulu, Maroccos, Persiens, Koreas und die unsagbaren Leiden der innerafrikanischen und anderer Kolonie Eingeborener, vorher die Ausrottung der neuseeländischen Maoris, die indischen und chinesischen Rebellionen, die Opiumkriege, Atjeeh, u.s.w. Hat Europa und Amerika je zum Orient anders gesprochen als durch den profitgierigen Kaufmann, den Kultur und Wesen des Orients missachtenden Missionar, jede Art der Eroberung von der Einschleichung durch Vertragshäfen zur absoluten Unterwerfung, und durch jede Art blutiger Repression mit dem Ziel der Verewigung der Knechtschaft des Orients im weitesten Sinne, Afrikas, Asiens, und Ozeaniens; wohin ist das glückliche Tahiti der vor-europäischen Zeit, das Entzücken des achtzehnten Jahrhunderts der Zeit
Diderots!
Europa setzt also bis zu dieser Stunde dem ganzen Orient gegenüber mit den modernsten Mitteln genau die spanischen Conquistadorespolitik fort, durch welche die amerikanischen Ureinwohner teils vernichtet, teils bis heute geknechtet, teils an die Urwälder und die primitivste Lebensweise gefesselt wurden: dies ist das Schicksal aller orientalischen Völker, auf die der Kapitalismus Hand legen kann, falls sie nicht durch blutigen Widerstand oder durch ihre Millionenmassen ihm einigen Halt gebieten, worauf der Kapitalismus im Interesse seiner Geschäfte es auch, wie man sagt, ‘billiger gibt’, dass heisst mit grossen Worten möglichst kleine Zugeständnisse macht, wie es jetzt vielleicht in China geschehen wird. Was ist dem gegenüber das Detail, dass ein Japaner über Botticelli schrieb? Schreiben nicht hunderte, tausende gelehrter europäischer Orientalisten seit Jahrhunderten über alle Wissensgebiete des Orients ohne dass dies an den hier skizzierten Verhältnissen das geringste änderte? Nun geht aber B. de Ligt nicht nur an der geradezu entsetzlichen wirklichen Lage schweigend vorüber - er scheint sogar die Teilnahme Japans und Chinas am Weltkrieg als eine Errungenschaft zu betrachten - sondern er beruft sich, unter der Rubrik ethisch, auf die Bewunderer der Negertänze und das ‘verfijnde bewustzijn’ gewisser Künstler, welches ‘door den onbewusten stijl van afrikaansche godenbeelden dieper getroffen wordt dan door de classiek-europeesche schoonheid der Venus van Milo’. Gewiss bestreite ich keinem Künstler das Recht, in der sogenannten ‘hottentottischen Venus’ oder den verschiedenen jetzt ausgegrabenen prähistorischen Frauenplastiken, die man die ‘Venus’ von so und so, (dem Fundort) zu nennen pflegt, sein Schönheitsideal zu finden, aber ich
erlaube mir die Behauptung, dass derartiges selbst heute noch eine ziemliche Ausnahme ist und ebensowenig beweist als die mir wesentlich sympatischere japanische Monografie über Boticelli.
Wir haben im späteren Rom - und im späteren Babylon und in anderen im Niedergang begriffenen Städten wird es nicht anders gewesen sein, - das traurige Beispiel allzugrosser Mischung von innerlich verschiedenem, wodurch eben keine Erneuerung, kein Aufschwung entsteht, sondern Kraftlosigkeit, Sterilität, Niedergang. Der Mithrasdienst und vieles andere, das Christentum selbst, bedeuteten eben den definitiven Verfall Roms, den schon das eindringende Griechentum vorbereitet hatte, wie dieses Griechentum selbt in Alexandrien und dem übrigen Orient entartet war, wie der Orient Alexander und die kräftigen Macedonier verschlang. Opium, Negertänze, Occultismus, sexuelle Rafinements, die man dem heutigen Orient und Afrika entnimmt, sind krankhafte Aufpeitschungen blasierter Sinne und der Orientale lacht nur, wenn er die Europäer gerade seine schwächsten Seiten krampfhaft nachmachen sieht.
Gewiss haben idealdenkende Männer, die aber in die wirkliche Freiheit kein Vertrauen hatten, zu allen Zeiten sittliche Utopien geschrieben, die sie aus eigenem Glauben oder um ihnen Autorität zu verschaffen, unter die Aegide von Göttern stellten - die Bibel und die lange übrige Serie der ‘Sacred Books of the East’ - und notwendigerweise enthält diese rein utopische Literatur, wie alle Utopien, viel gemeinsames. Ebenso sicher war und ist aber das wirkliche Leben von den idealen Forderungen - wozu brauchte man sonst diese? - grundverschieden, und dies wiegt schwerer als die aus diesen vereinzelten Kunstprodukten erschlossene Einheitlichkeit des geistigen Lebens. Dasselbe gilt von den Staatsmethoden, dem auf dem Volk lastenden Zwang; ein chinesischer und ein europäischer Staatsmann, General oder Henker mögen sich zulächlen wie zwei Auguren: für die Völker selbst beweist die gemeinsame Staatskrankheit ebensowenig wie irgend eine andere gemeinsame Krankheit. Auch die kapitalistische Produktion, internationaler Handel und Wandel bringen diese und jene mechanischen Änlichkeiten hervor, Literaten, Journalisten, der Massenkunstbetrieb, einige Moden mögen sich assimilieren, aber die Völker ignorieren dies oder blassen zu farblosen Gebilden ab: Menschenschemen, die von der internationalen Grossproduktion mit gleichen Kleidern behangen und mit gleichen Konserven, Zeitungen, Kinos, u.s.w. körperlich und geistig gefüttert werden.
Es müsste unser allernächstes Ziel sein, Freiheit und Gerechtigkeit schneller zu begründen, bevor die Mensch-