Germania. Jaargang 6

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Eisenbahnbau in Deutschostafrika
Von E. von Liebert.

In der Tronrede bei der Eröffnung des Reichstags ist eine Vorlage betr. den Bau einer Bahnlinie Daressalam-Mrogoro angekündigt. Nationale Blätter und Zeitschriften vertreten eifrig diesen schon so lange unausgeführt gebliebenen Plan. In der Freisinnigen Zeitung vom 25. December v.J. dagegen stellt Herr Eugen Richter alle denkbaren Ziffern zusammen, um zu beweisen, wie teuer dem Deutschen-Reiche seine Kolonien zu stehen kommen und schliesst mit dem Rufe: ‘Führwahr, es gehört eine tropenhafte Phantasie dazu, eine Illusionsfähigkeit sondergleichen, um sich für dergleichen begeistern und die Verantwortung für weitere Eisenbahnbauten in Afrika vor den deutschen Steuerzahlern übernehmen zu können.’ So stehen sich die Ansichten gegenüber.

Alle übrigen Mächte bauen eifrig an Eisenbahnen in ihren afrikanischen Besitzungen, selbst die verlotterten Portugiesen raffen sich aus vierhundertjährigem Schlafe auf und strecken mit englischem Gelde Schienen. Nur die deutschen Kolonien verharren im mittelalterlichen Zustande, und Ostafrika zeigt durch den Rückgang seiner Handelsbilanz deutlich, wie seine Handelsartikel mit Hilfe fremder Bahnen fremde Häfen aufsuchen. Auch dass die Engländer parallel unserer ostafrikanischen Grenze im Laufe von 5 Jahren eine 1000 Km. lange Bahn nach dem

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Victoria Nyanza fertig gestellt haben, verschlägt bei unsern Freisinnigen nicht; denn was die Engländer können, vermögen die Deutschen ‘Steuerzahler’ nicht zu leisten.

Ein Schutzgebiet doppelt so gross als das deutsche Reich soll durch eine 220 Km. lange Bahn aufgeschlossen werden, höhnt die Freisinnige Zeitung. Daran denkt natürlich Niemand, sondern die geplante Bahn von Daressalam ins Innere soll den. Anfang zur Erschliesung des Innern machen, und sie öffnet tatsächlich eine Reihe fruchtbarer Landschaften (Usaramo, [... Ubami, Ugutu)] dem Verkehr und dem Verkehr und dem Aubau. Auch der Einwurf, dass em Bahnbau ohne Nutzen und Einfluss auf ein Land von 1 Mill.^☐ km. sein werde, in dem nur 6 Mill. Einwohner weit zerstreut leben, schreckt die Kenner von Land und Leuten nicht ab. Einerseits übt die Eisenbahn in Afrika eine mächtige Anziehungskraft auf weite Gebietsteile, weil der geschäftsfreudige Neger sehr schnell die sich längs der Bahn bildenden Märkte und Ansiedlungen aufsucht. Anderseits muss die Verwaltung durch eine verständige Eingeborenen- und Bevölkerungspolitik eingreifen, indem sie Dorfschaften und Gemeinden aus fleissigen, betriebsamen Stämmen des Innern heranzieht und auf fruchtbarem Boden in der Nähe der Bahn ansiedelt.

Und was zwingt uns denn mit unerbittlicher Notwendigkeit zum Bahnbau im tropischen Afrika, warum lassen die Landeskundigen insgesammt von dieser Forderung nicht ab? Weil es kein kräftiges Zugvieh im Lande gibt, und das vorhandene indische Buckelrind der Surrakrankheit und dem Texasfieber unterliegt, so dass kein Gütertransport durch Wagen eingerichtet werden kann. Bislang ist der Mensch zum Tragetier herabgewürdigt worden, aber das lohnte sich nur so lange an der Küste als die Last (Elfenbein, Kautschuk, Kopal u. dergl.) mitsamt dem Träger verkauft wurde. Seitdem der Sklavenhandel endgültig

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beseitigt ist, hat dies Geschäft seinen Reiz verloren, und für minderwertige Erzeugnisse hat sich der Trägerverkehr nie bezahlt gemacht, da der Träger auf dem Wege zur und von der Küste ernährt werden muss. So liegt denn das Land trotz seiner Fruchtbarkeit schon wenige Tagemärsche von der Küste unbebaut, da jede Absatzmöglichkeit und jede Rentabilität des Anbaus fehlt. Der Neger als wahres Naturkind und als Sohn der heissen Tropensonne arbeitet selbstverständlich nur soviel als zum eigenen und der Seinigen Unterhalt erforderlich ist.

So hängt denn die kulturelle Erschliessung des Landes einzig und allein von der Herstellung moderner Verkehrsmittel d.h. vom Eisenbahnbau ab. Wie schwer es hält, die Deutschen von dieser einfachen Logik zu überzeugen, zeigt ein Teil der Presse und die Verhandlungen im Reichstage und in der Butgetkomission. Jetzt soll ein erneuter Versuch gemacht werden, nachdem seit 12 Jahren Pläne und Studiën über den Bahnbau entworfen sind.

Deutschostafrika besitzt heute nur eine kleine Küstenbahn von 100 Km. Länge, an deren Fortführung auf 150 Km. gegenwärtig gearbeitet wird. Diese Bahn verbindet den Hafenplatz Tanga mit den beiden Gebirgsstöcken von Ost-und Westusambara. Diese beiden Gebirge sind mit Kaffeepflanzungen bedeckt, die des Anschlusses an die Küste dringend bedurften. An der Bahnstrecke entstehen jetzt Agavenpflanzungen und Ansiedelungen der Eingeborenen. Sie wird auch weiter für Getreide und Viehtransporte aus dem Innern der benachbarten Landschaft Usegua sich nutzbar machen. Der Bahnbetrieb auf der Torsostrecke Tanga-Korogwe (100 Km.) war im Jahre 1903. mit 346,000 M. in Ansatz gebracht, die Einnahmen aus dem Betriebe für die gleiche Zeit sind mit 156,700 M. eingestellt. Da das Rechnungsjahr erst am 1 April d.J. abläuft, so bleibt das Ender-

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gebnis noch abzuwarten. Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass die hohen Betriebskosten herabgemindert werden können, dagegen die Einnahmen mit jedem neuen Geschäftsjahre infolge zunehmender Bodencultur und Gewöhnung der Eingeborenen an dies neue Verkehrsmittel steigen werden. Für 1904 sind die Einnahmen bereits auf 213,000 M. veranschlagt, ein Anzeichen für das Vertrauen das die Bahn geniesst.

Augenblicklich wird sich nun der Reichstag mit dem Entwurf für den Bau der centralen Linie, einer 220 Km. langen Eisenbahn beschäftigen, die von der Landeshauptstadt Daressalam senkrecht zur Küste und ziemlich gradlinig ins Innere führen soll. Ehedem hatte man gehofft, mit dieser Bahn den Handel der grossen Karawanenstrasse vom Serugebiet nach Sansibar abzufangen und auf die deutschen Dampfer zu leiten. Aber die wertvollen Handelsgüter sind verschwunden oder ziehen auf anderen zur Küste führenden Eisen- oder Wasserstrassen. Die deutschen Häfen sind durch die Rührigkeit der Nachbarländer und durch die Abneigung gegen Bahnbauten im deutschen Reichstage verödet. Eine Veränderung in günstiger Richtung wieder herbeizuführen wird nur langsam und schwer gelingen. Deshalb hat die beabsichtigte Bahn weniger mit dem Binnenhandel als mit der direkten Erschliessung des Bodens zu rechnen. Wo die Schiene das Land mit dem Handelsplatz an der Küste verbindet, da wird der Boden wertvoll, weil nunmehr die Gelegenheit zum schnellen und billigen Absatz der Bodenerzeugnisse geboten ist. Diese Logik wird dem Neger schnell einleuchten, denn er ist ein gewandter Geschäftsmann und versteht seinen Vorteil gut wahrzunehmen. Sobald er einsieht, dass die Arbeit mit klingender Münze lohnt, so wird er sich ihr zuwenden, und sicherlich wird er von den einfachen Feldfrüchten zum Anbau wertvollerer wie Oelfrüchte, Faserpflanzen, Baumwolle, Kautschuk allmählig übergehen. In dieser Beziehung kann die

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Verwaltung durch Wanderlehrer, Vorarbeiter, Prämien und andere Mittel auf die eingeborene Bevölkerung Einfluss üben.

Die Eisenbahn ist um den hohen Reichstag nicht zu erschrekken nur bis Mrogoro am Fusse der schönen waldigen Uluguruberge geplant. Ein Konsortium, von der deutschen Bank gebildet, will die Ausführung übernehmen, falls die Reichsregierung eine Zinsgarantie für den Kilometer zusichert. Es ist anzunehmen, dass eine Privatgesellschaft billiger baut als das Reich. Welche Spurweite für die Bahn gewählt wird, ist verhältnismassig gleichgültig, da sie auf den Anschluss mit anderen Bahnen nicht zu rechnen hat, und da es auf schnellen und billigen Bau und auch billigen Betriebe ankommt. Die hohen Betriebskosten der Usambarabahn entspringen der Spurweite von 1. m. Für afrikanische Verhältnisse würde eine Spurweite von 75 ja von 60 ctm. genügen. Man baue so schlicht und einfach wie möglich, man setze recht billige Frachttarife an, denn die oben aufgezählten Bodenerzeugnisse sollen die Bahn rentabel machen, und sie müssen die Frachtkosten vertragen können.

Während die Usambarabahn mehr oder weniger in der Steppe verläuft und keine Aussicht hat, ins Innere verlängert zu werden, hat die geplante Daressalamer Bahn als Endpunkt zwei zukunftsreiche Gebirgsländer, die Uluguru-und Nguruberge, und dicht hinter Mrogoro erstreckt sich die fruchtbare Landschaft Usagara, nach der Karl Peters das ganze Land benennen wollte. Hier ist viel Aussicht auf Fortsetzung und ergiebige Ausdehnung des Baus. Wenn die Zinsgarantie nur erst bewilligt wäre!

Bei dem grossen Flächenraume, den die Kolonie einnimmt kann es nicht Wunder nehmen, wenn noch ein drittes Bahnprojekt die Gemüter lebhaft bewegt und bereits Vorstudien gezeitigt hat. Es ist die Linie Kilwa-Wiedhafen am Nyassasee. Diese Bahn ist zunächst handelspolitisch basiert. Sie soll den Verkehr aus dem südöstlichen Teile des Kongostaates, aus dem ganzen

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britischen Nyassalande und aus dem Süden Deutschostafrikas sammeln und dem deutschen Hafen Kilwa zuführen. Der gesamte Waarenverkehr, der jetzt die höchst mangelhafte Wasserstrasse des Schire-Sambesi nach dem Hafen Chinde folgt, würde auf deutsche Schiffe gelangen. Die Engländer planen bereits einen parabelen Bahnbau auf portugiesischem Gebiet vom Nyassa nach Ameliaberg, fürchten aber den deutschen Wettbewerb, da alle Vorteile auf unserer Seite liegen.

Diese Bahn würde die Länge von 700 Km. haben, ein Kautschuk und Getreidereiches Gebiet durziehen und keine Geländeschwierigkeiten bieten als bei dem gebirgigen Abstiege zum Nyassa. Alle Sachverständigen sind darüber einig, dass diese Verkehrslinie eine grosse Zukunft haben muss. Rentabilitätsberechnungen lassen sich allerdings in einem Lande das erst durch die Bahn erschlossen und produktiv gemacht werden soll, nicht gut aufstellen; oder man muss zu sehr kühnen Annahmen seine Zuflucht nehmen. Gründliche Landeskenntnis und eine Dosis Vertrauen in die zukünftige Entwickelung sind die beiden Grundpfeiler, auf die man zu bauen hat.

Wir wollen wünschen, dass beim Schluss der Etatsberatung im Reichstage Deutschostafrika hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann, nachdem die Lebensfrage der Kolonie, der Bahnbau bejahend entschieden ist.