Acta Neerlandica 14
(2017)– [tijdschrift] Acta Neerlandica– Auteursrechtelijk beschermd
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László Pósán
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Kardinal Gregorius, in Ungarn abgeordneter Legat des Papstes, informierte 1192 den Heiligen Stuhl, dass zwischen Adorján, dem siebenbürgischen Bischof (‘Adrianum Ultrasilvanum episcopum’), und P., dem Propst von Hermannstadt (‘P. praepositum Cibiniensem’), ein Streit entstanden war. Der Grund für den Streit war, dass nach Meinung des Propstes alle südsiebenbürgischen Kolonisten, die in den Urkunden flandrenses genannt wurden, unter seiner kirchlichen Gerichtsbarkeit standen (‘...praepositus diceret generaliter omnes Flandrenses ecclesiae suae fuisse suppositus...’). Der ungarische König machte aber deutlich, dass zum Propst nur die ‘Flamen’ gehören, die sich zur Zeit von Géza II auf dem ihnen geschenkten unbewohnten Kammergut niedergelassen hatten oder sich in Zukunft dort niederlassen werden, die aber außerhalb der Grenzen des Kammergutes lebten, gehörten nicht mehr zu ihm (‘...gloriosus rex [...] promulgavit, quod non fuit eius intentionis tempore constitutionis praepositurae noc postea, quod alii Flandrenses praeposito essent subditi, nisi qui tunc tantummodo habitabant in deserto, quod sanctac recordationis Geysa pater suus Flandrensibus concesserat, et in eodem futuris temporibus essent habitaturi’).Ga naar eind1 König Béla III ließ die Gerichtsbarkeit des Propstes von Hermannstadt nur auf beiden Seiten der Achse Hermannstadt-Leschkirch-Groß-Schenk gelten. Später wurde dieses Gebiet Altland genannt und der gemeinsame Name des ganzen südsiebenbürgischen deutschen Siedlungsgebietes wurde Königsboden.Ga naar eind2 Kardinal Gregorius folgte dem Standpunkt des Königs im Streit zwischen dem siebenbürgischen Bischof und dem Propst von Hermannstadt: Die Propstei - deren Gründung schon am 20. Dezember 1191 vom Papst Coelestin III bestätigt wurdeGa naar eind3 - umfasste nur das desertum, geschenkt vom König Géza an prioribus flandrensibus. Die Urkunde des päpstlichen Legaten von 1192 sprach eindeutig davon, dass sich Ende des 12. Jahrhunderts flandrische Kolonisten aus den Niederlanden im südlichen Teil von Siebenbürgen niederließen. Diese Kolonisten kamen in der Mitte des 12. Jahrhunderts, während der Herrschaft von König Géza, nach Ungarn. Ihre Anzahl war wahrscheinlich nicht gering, denn König Béla III erlaubte ihnen irgendwann vor 1189, ihre Pfarren in einer freien Propstei (‘praepositum liberam’) zu organisieren. Dies wurde von Coelestin III genehmigt, die Propstei von Hermannstadt erhielt eine exemptio und wurde aus der Gerichtsbarkeit des siebenbürgischen Bischofs entlassen. Dieses Gebiet wurde der bischöflichen kirchlichen Verwaltung entzogen (‘praelatura nullius scilicet dioecesis’) und den Bistümern ähnlich.Ga naar eind4 Deshalb wurde die Propstei später auch Bistum genannt (‘Scibiniensis | |||||||||||||||
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diocesis Ultrasilvana’).Ga naar eind5 Die päpstliche Urkunde bezüglich der Propstei von Hermannstadt handelte von der ‘ecclesia Theutonicorum Ultrasilvanorum’, also von der ‘Kirche der siebenbürgischen Deutschen’, der päpstliche Legat schrieb jedoch über Flamen. Man kann daraus folgern, dass die als Flamen bezeichneten Kolonisten in den zur Propstei von Hermannstadt gehörenden Gebieten und auch außerhalb dieser Gebiete grundsätzlich einen deutschen Dialekt sprachen und viele von ihnen aus den von Flamen bewohnten Gebieten der Niederlande stammten. In der Urkunde von Wichmann, Erzbischof von Magdeburg, aus dem Jahre 1152 wurden die Begriffe ‘flämisch’ und ‘holländisch’ in der Beschreibung der Kolonisationsbewegung Richtung Osteuropa als Synonyme verwendet: ‘Hollandi, qui et Flamingi nuncupantur’.Ga naar eind6 Nach Meinung der Sprachwissenschaft entstand die heutige niederländische Sprache (Nederlands, Dutch) aus den fränkischen, sächsischen und friesischen Dialekten, vor allem aus der altniederfränkischen Mundart. Die niederfränkischen Dialekte verbreiteten sich in ‘Flandern’ im mittelalterlichen Sinne des Wortes. Zu diesem Territorium gehörten alle Gebiete nördlich von Luxemburg, der größte Teil der historischen Niederlande und sogar die an die Niederlande angrenzenden deutschen Gebiete bis zur Nordsee und östlich bis zum Rhein, bis Köln. Die ehemaligen Salier formten den historischen Kern dieses Sprachraums.Ga naar eind7 Es ist kein Zufall, dass ein großer Teil der Kolonisten aus dem Westen im 11.-12. Jahrhundert im Sprachgebrauch des ungarischen Königs oder der päpstlichen Kanzlei flandrenses oder hospites Theutonici genannt wurde.Ga naar eind8 Nach Meinung von Bálint Hóman könnten die Ausdrücke ‘saxones et theutonici’ in den Urkunden der Arpaden-Zeit auf den Herkunftsort der Kolonisten hinweisen. Die ‘Sachsen’ kamen vor allem aus den nördlichen, nordwestlichen, die ‘Teutonen’ aus den westlichen, südwestlichen deutschen Gebieten nach Ungarn.Ga naar eind9 Harald Zimmerman hält dagegen die Begriffe ‘Flandrenses’ und ‘Saxones’ für eine allgemeine Benennung der westlichen Kolonisten, die nach Osteuropa kamen.Ga naar eind10 Nach der mittelalterlichen deutschen Deutungsweise gehörten das Flämische und das Sächsische als Mundarten zu einer Gruppe, da die Zeitgenossen nur zwischen dem mittel- und hochdeutschen bzw. dem niederdeutschen Sprachraum einen Unterschied machten. Berthold von Regensburg, ein süddeutscher Kleriker aus dem 13. Jahrhundert, schrieb das Folgende: ‘Ir wizzet wol, daz die niderlender unde die oberlender gar ungelich sint an der sprâche und an den siten. Die von Oberlant, dort her von Zürich, die redent vil anders danne die von Niderlande, von Sachsen, die sint ungelich an der sprâche. Man bekennet sie gar wol vor einander | |||||||||||||||
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die von Sachsenlande unde die von dem Bodensêwe, von dem obern lande, unde sint ouch an den siten ungeliche und an den kleidern [...]. Und alsô stêt ez umbe die niderlender und umbe oberlender, daz manic niderlender ist, der sich der oberlender sprâche an nimet.’Ga naar eind11 Auf Grund von Dialektforschungen konnte festgestellt werden, dass vor allem Kolonisten aus Flandern und Luxemburg bzw. aus der Mosel- und Mittelbzw. Niederrheinregion, also mehr oder weniger aus dem Gebiet des niederfränkischen Dialektes, nach Südsiebenbürgen kamen, nachdem sie von Géza II eingeladen worden waren.Ga naar eind12 Neben der Urkunde des Legaten aus dem Jahre 1192 beweisen noch mehr Daten, dass eine erhebliche Anzahl niederfränkischsprachiger Kolonisten im 11.-12. Jahrhundert nach Ungarn kam. Nagyolaszi (heute Mandjelos), gelegen in der Landschaft Syrmien, wurde schon in einer Quelle aus dem Jahr 1096 ‘Franca Villa’, also ‘fränkisches Dorf’ genannt. Die hier lebenden westlichen Kolonisten wurden also schon vor diesem Zeitpunkt von einem ungarischen König hier angesiedelt. Eine Chronik, geschrieben um 1150, nannte Nagyolaszi ‘villa advenarum Francorum’ (Dorf der aus Franken Angekommenen). Niederländische, niederfränkische und flämische Kolonisten müssen im 12. Jahrhundert in Syrmien in beträchtlicher Anzahl gelebt haben, denn der byzantinische Chronist Niketas Choniates nannte dieses Gebiet Frangokhorion (fränkisches Gebiet). Der ursprüngliche Name des berühmten hiesigen Weinberges Fruška Gora war Franska Gora, also ‘fränkischer Berg’.Ga naar eind13 Al-Irdisi, arabischer Geograph und Wissenschaftler am sizilianischen Hof von Roger II, beschrieb Franca Villa um 1154 als reiche Stadt.Ga naar eind14 Als Rogerius über die Verwüstungen der Tataren in Gran berichtete, erwähnte er neben den Ungarn auch die Ethnien Francigene und Lombardi. In der ungarischen Geschichtsschreibung wurde das Wort ‘Francigene’ als wallonisch aufgefasst und bezeichnete ein aus den Niederlanden stammendes, neulateinisch sprachiges Volk.Ga naar eind15 Es ist aber wahrscheinlicher, dass unter den Einwohnern von Gran neben den Ungarn und den Norditalienern (Lombarden) nicht neulateinisch sprachige Wallonen, sondern echte ‘Franken’, also breiter definierte Niederländer, wohnten. Ein noch eindeutigerer Hinweis auf die niederländische Herkunft der Einwohner ist der Name der Siedlung Borbánt, der ursprünglich Brabant war und auch in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstand.Ga naar eind16 Die hier Wohnenden sprachen ebenfalls die niederfränkische/flämische Mundart. Die Grafschaft Flandern dehnte ihre Territorialhoheit auf Wallonien und auf einen Teil von Niederlothringen aus,Ga naar eind17 aber in den ungarischen Quellen wurden die hospes, die von den neulateinisch sprachigen Unterta- | |||||||||||||||
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nen der flämischen Grafen abstammten, dennoch nicht ‘flandrenses’ genannt. In den Schriften der Arpaden-Zeit waren die Wörter ‘Latinus’ oder ‘Gallus’ Sammelnamen für neulateinisch sprachige Völker und konnten auf Franzosen, Wallonen oder Italiener hinweisen.Ga naar eind18 Die Latini wurden auf Ungarisch mit dem slawischen Wort ‘olasz’ bezeichnet. Dies war ebenfalls ein Sammelbegriff und konnte allerlei neulateinisch sprachige Völker bezeichnen.Ga naar eind19 Nordfranzösische oder wallonische Siedler gab es schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Ungarn. Als ein Aufstand gegen Kaiser Heinrich 1047 in Flandern ausbrach und Gottfried, Herzog von Lothringen, zusammen mit Balduin, dem flämischen Grafen, Verdun anfiel, flüchteten 24 Kanoniker aus der Stadt nach Ungarn und siedelten sich dort auch an.Ga naar eind20 György, Erzbischof von Kalocsa, der um 1050 lebte, muss auch wallonischer Herkunft gewesen sein. Im Totenregister der Kirche von Liège steht eine Eintragung ‘Franco... episcopus apud Vesperem’, wobei auch aufgeschrieben wurde, dass ‘Vesperem’ eine Stadt in Ungarn sei.Ga naar eind21 Leodvin, der erste bekannte Bischof des Bistums von Bihar, stammte aus dem lothringischen Namur (heute in Belgien). Er schenkte der Saint-Alban Kirche in Namur Reliquien von dem Heiligen Georg und dem Heiligen Nikolas. Nach der Thronbesteigung des ungarischen Königs Andreas II wurde er mit der Revision des königlichen Fiskus beauftragt.Ga naar eind22 Abt Villermus, der Obere des von Béla I gegründeten Mönchklosters in Szekszárd, war auch wallonischer Herkunft.Ga naar eind23 In einer Urkunde von 1103 steht, dass ein gewisser Anselmus de Braz, Vasall des Klosters Stablo in Niederlothringen, und der Herr der zum Kloster gehörenden Burg Logne neben Lüttich seine eigenen Immobilien an den Abt verkaufte, auf sein Lehen verzichtete und zusammen mit seiner Familie nach Ungarn fuhr (‘in Ungariam ire disponens’). Es wird vermutet, dass er an dem ersten Kreuzzug teilnahm und dabei Ungarn kennenlernte.Ga naar eind24 Während des zweiten Kreuzzuges kam Ritter Hezelo von Merkstein in das Karpatenbecken. Nach dem Kreuzzug verkaufte er sein 9 Hufen großes Gut nördlich von Aachen an den Abt von Klosterrad und zog nach Siebenbürgen. Er dürfte die Siedlung Helzeldorf (Elcel, villa Eczelin) in der Mitte vom Sachsenland, südlich von Mediasch, gegründet haben.Ga naar eind25 König Imre stellte einem französischen oder wallonischen Johannes Latinus einen Freibrief aus, der laut Urkunde im Dorf Heltau (Nagydisznód) unter den siebenbürgischen Deutschen (‘inter Theutonicos Transilvanonses’) lebte.Ga naar eind26 König Andreas II schenkte demselben Johannes Latinus ein Gut in Kezdfo, in der Nähe des heutigen Deutsch-Weisskirch.Ga naar eind27 Der neue Gutsbesitzer gründete hier in ein paar | |||||||||||||||
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Jahrzehnten mehrere Dörfer. Eines dieser Dörfer wurde in einer Urkunde von 1231 latinisches Dorf (‘Villa Latina’) genannt. Dieses Dorf ist mit dem heutigen Voldorf identisch. Der deutsche Name des Dorfes zeigt eindeutig, dass hier neben der neulateinisch sprachigen Bevölkerung auch Deutschsprachige, vermutlich Niederländer, lebten.Ga naar eind28 Der Goldschmied Laurentius Latinus und seine Frau Almand, die im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts unter den Latinen in Gran - von Rogerius ‘Lombardi’ und ‘Francigene’ genannt - erwähnt wurden, könnten eher zu den Lombarden gehören.Ga naar eind29 Ein gewisser János Kövér, der sich mit Fernhandel beschäftigte, stammte aus Gent.Ga naar eind30 Neben den Personennamen verraten auch die Namen der Siedlungen einiges über den ethnischen Hintergrund von deren Einwohnern. Neulateinisch Sprachige bewohnten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts den Ort neben Großwardein, der 1215 als ‘villa Latinorum Waradiensium’ erwähnt wurde. Diese Siedlung wurde in den späteren Quellen Olaszi (‘Olazy’) genannt.Ga naar eind31 Von Wallonen bewohnte Siedlungen, die ‘Olaszi’ genannt wurden, befanden sich in der Arpaden-Zeit außer im Komitat Bihar auch in anderen Gebieten von Ungarn. Olaszegyház (‘Vlozyghaz’), erwähnt 1221 im Komitat Borsod, bekam seinen Namen von seiner wallonischen Bevölkerung.Ga naar eind32 Die Hospes, die sich in der Nähe von Sárospatak niederließen, waren wahrscheinlich größtenteils wallonischer Herkunft, denn die Namen Bodrogolaszi und Liszkaolaszi (heute Olaszliszka) an der Bodrog deuten auf wallonische Einwohner hin. Ein Freibrief von 1201 in Sárospatak erwähnt ebenfalls Wallonen.Ga naar eind33 Dasselbe gilt für die Dörfer Olaszárpád und Olaszi im Komitat Baranya, die schon 1181 in den Quellen genannt werden.Ga naar eind34 Der Abt von Pécsvárad behauptete 1258, dass das Dorf Olaszfalva neben Pécsvárad von der Abtei gegründet wurde.Ga naar eind35 Wallonische Kolonisten müssen hierhergezogen sein, denn wie unter den Einwohnern von Fünfkirchen gab es auch unter den Deutschen/Flamen und Italienern (‘Lumbardus’) Wallonen/Franzosen (‘Latinus’, ‘Gallicus’).Ga naar eind36 Auch in das Komitat Zips in Nordungarn zogen Wallonen. Daten über Szepesolaszi an der Hernád gibt es erst aus dem 13. Jahrhundert, aber aufgrund von vielen Angaben kann man die Entstehung des Dorfes auf das 12. Jahrhundert datieren.Ga naar eind37 Der lateinische und der deutsche Name des Dorfes (‘Villa Latina’, ‘Wallendorf’) lassen eindeutig die Herkunft der Einwohner erkennen.Ga naar eind38 Im Komitat Zips waren die Einwohner von Nagyolaszi ursprünglich - wie auch der Name der Siedlung beweist (‘Franca Villa’) - ‘fränkischer’, also niederfränkischer/niederländischer Herkunft, aber die ungarische Form ‘olaszi’ weist darauf | |||||||||||||||
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hin, dass von Anfang an oder später auch zahlreiche neulateinisch Sprachige hierherzogen. Laut einer Chronik vom Ende des 12. Jahrhunderts kamen Flüchtlinge aus Mailand nach Nagyolaszi, nachdem Kaiser Friedrich Barbarossa die Stadt erobert und verwüstet hatte.Ga naar eind39 Die ethnische Zusammenstellung der Siedlung veränderte sich wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt und die ‘Latinen’ bildeten die Mehrheit. Neben dem Namen - olaszi enthalten auch andere Siedlungsnamen Spuren der wallonisch-französischen Kolonisten. Der Name Tálya in den Namen Andornaktálya in der Nähe von Eger und Tállya oder Tálya im Komitat Zemplén ist abgeleitet von dem altfranzösischen Wort ‘taille’, was Geräumde bedeutet.Ga naar eind40 Aber auch in Wallonien gibt es eine Siedlung mit dem Namen Tailles. Siedlungen in Ungarn mit dem Namen Gyán verweisen ebenfalls auf neulateinisch sprachige Kolonisten. Das Wort stammt von dem altfranzösischen Namen Jehan/Gehan ab. Der Name von Mecsedelfalva in der Zips könnte mit dem altfranzösischen Familiennamen Michelet zusammenhängen.Ga naar eind41 Aus der Form ‘fourmint’ in der wallonischen Mundart des 12.-13. Jahrhunderts leitet sich das ungarische Wort furmint her. Diese Traubensorte verbreitete sich in dem Gebiet Hegyalja in Ungarn, wo die französisch-wallonischen Kolonisten den Weinbau einführten. Den Einwohnern von Hegyalja ähnlich waren auch die Latinen in der Zips ausgezeichnete Winzer. Der hier hergestellte Wein war der gefragteste und teuerste im mittelalterlichen Ungarn.Ga naar eind42 Die in Ungarn siedelnden Wallonen und andere neulateinisch sprachige Völker müssen Ende des 11. Jahrhunderts eine vielköpfige Gruppe gebildet haben, denn die Synode von Szabolcs traf im Jahre 1092 bezüglich dieser Gruppe besondere Maßnahmen. Die synodalen Beschlüsse schrieben vor, dass die Latinen nach der ungarischen Weise fasten müssen und, wenn sie damit nicht einverstanden sind, dann ‘können sie gehen, wohin sie auch wollen. Aber das Geld, das sie hier verdienten, müssen sie hier lassen.’ (‘XXXI. De carnis dimissione. Latini ... si se nostre consuetudini meliori non consenserint, quocumque volunt, eo vadant. Pecuniam vero, quam hic acquisierunt, hic relinquant...’).Ga naar eind43 Es können grundsätzlich existenzielle Gründe sein, warum niederfränkisch Sprachige (Flamen, Deutschen) und neulateinisch Sprachige (Wallonen und Franzosen) im 11.-12. Jahrhundert aus den Niederlanden, dem Rhein- und Moselgebiet und aus der nordfranzösischen Region in großer Anzahl nach Ungarn zogen. Nach Meinung von Henri Pirenne habe Flandern seine Bevölkerung nur mit Mühe mit ausreichend Nahrung versehen können.Ga naar eind44 Laut der Gesta Treverorum vom Ende des 11. Jahrhunderts gab | |||||||||||||||
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es 1035 eine Hungersnot in der Moselregion.Ga naar eind45 1042 begannen Notjahre in Lüttich: Diese Periode mit Missernten und Hungersnöten dauerte sechs Jahre lang. 1043 und 1044 waren die schlimmsten Jahre.Ga naar eind46 1060 begann wieder ein Notjahr in den Niederlanden.Ga naar eind47 Die schwierigeren Lebensumstände trugen dazu bei, dass sich viele Flamen der Armee von Wilhelm dem Eroberer anschlossen.Ga naar eind48 1095 wurde vor allem das Gebiet des heutigen Belgiens von einer Hungersnot getroffen. Deshalb machten sich in den folgenden Jahren viele als Kreuzfahrer auf den Weg in das Heilige Land.Ga naar eind49 Es ist auch kein Zufall, dass seit Anfang des 12. Jahrhunderts immer mehr niederländische und flämische Kolonisten in Deutschland auftauchen.Ga naar eind50 Die Notjahre des 11. Jahrhunderts fielen in die warmen Perioden des Hochmittelalters, als sich die Lebensumstände und klimatischen Verhältnisse in ganz Europa verbesserten (dies wird mittelalterliches Klimaoptimum genannt). Bestimmte Gebiete konnten manchmal jedoch ganz extreme klimatische Verhältnisse mitmachen. Im Winter 1010/1011 fror die See im Bosporus ein und sogar auf dem Nil erschien Eis.Ga naar eind51 In den an die nördlichen Gebiete der Niederlande angrenzenden Regionen Sachsens dauerten die Fröste im Jahre 1118 sogar bis zum Juni. Aber auch in den übrigen Gebieten Europas war der Winter sehr kalt und selbst die Lagunen in Venedig froren zu. Zum Markusplatz konnte man selbst auf dem Pferd reiten.Ga naar eind52 Zwischen 1124-1126 gab es in den Niederlanden, in Süddeutschland, in Sachsen und in Böhmen Notjahre.Ga naar eind53 1130 wurde das Nieder- und Mittelrheingebiet von einer Dürre heimgesucht und es war so trocken, dass man durch den Rhein waten konnte.Ga naar eind54 Zwischen 1141 und 1151 gab es schlechte klimatische Verhältnisse im Moselgebiet und dessen breiterer Umgebung, was zu einer schlechten Ernte und Hungersnot führte. Die Situation wurde durch einen Krieg zwischen 1140 und 1146 noch verschlechtert: Der Erzbischof von Trier und die Grafen von Luxemburg wollten ihre Konflikte mit Waffen entscheiden. Aus diesen Gründen flüchteten viele Leute aus ihren Wohnorten und kehrten oft nicht zurück, sondern zogen in fernere Gebiete (unter anderem auch nach Ungarn). Bis zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde ein erheblicher Teil der Niederlande zu einer ‘terra pauper et sterilis’, weshalb viele Familien, auf eine bessere Existenz hoffend, nach Osten zogen.Ga naar eind55 Es ist kein Zufall, dass die westlichen Kolonisten auch in der Mitte des 12. Jahrhunderts in größerer Anzahl in Ungarn erschienen. Das Ausmaß der Auswanderung aus den Niederlanden beweist, dass ab dem Hochmittelalter der Kolonisation in vielen Gebieten in Europa die niederländisch-flämischen Hospesrechte zugrunde lagen.Ga naar eind56 Laut den Annales | |||||||||||||||
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Egmundenses wanderten 1183 aus dem Bistum Utrecht und der Grafschaft Holland viele aus (‘ut innumera multitudo famis angustia impellente propria colonia relicta, alias migraverit’).Ga naar eind57 Neben den klimatischen Verhältnissen führte auch die Zersplitterung der Bauerngüter zu schwierigeren Lebensumständen. Dieser Prozess verursachte in Flandern und Brabant große Schwierigkeiten.Ga naar eind58 Im 11. Jahrhundert entstand für mittelalterliche Verhältnisse eine Art Überbevölkerung in den Niederlanden, weshalb dieses Gebiet sehr heftig auf die klimatischen Veränderungen und deren Folgen reagierte. Die steigende Anzahl von Leuten mit existenziellen Problemen führte dazu, dass viele in anderen Gebieten von Europa ihr Glück suchten. Viele von ihnen kamen im 11.-12. Jahrhundert auch nach Ungarn. Die ausgezeichneten Naturverhältnisse, die Fruchtbarkeit des Bodens des Karpatenbeckens, worüber in seiner Chronik auch Otto von Freising schrieb (‘tamquam paradisus Dei’),Ga naar eind59 und die Wertschätzung, die den Einwanderern entgegengebracht wurde, übten sicher auf die westlichen Teile von Europa eine große Anziehungskraft aus, denn im 11.-12. Jahrhundert kamen in mehreren Wellen neue Siedler.Ga naar eind60 Ab dem 13. Jahrhundert kam die Überbevölkerung aus den Niederlanden immer seltener in das Karpatenbecken. Die flämischen, niederländischen oder wallonischen Auswanderer zogen eher in die deutschen Kolonisationsgebiete, die mit dem Schiff einfacher und in kürzerer Zeit erreichbar waren, unter anderem in den neuen christlichen Staat, in die vom Deutschen Orden gegründeten, östlich der Weichsel gelegenen, preußischen Gebiete.Ga naar eind61 | |||||||||||||||
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Bibliografie
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